Aussagen: 1951-11-27 Kerner Georg

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Quelle

Staatsarchiv Augsburg / StAnwA 1 Js 244/52

Detailinformationen

Datum

27.11.1951

Ort

unbekannt

Zugegen

Georg Kerner
unbekannter Protokollant

Inhalt

Vernehmungsniederschrift vom 27.11.1951


Es erscheint als Zeuge der verh. Metzger

Georg Kerner

geb. am 5.3.1907 in Schrobenhausen, wohnhaft in Ingolstadt, Oberer Graben 45 und sagt nach Belehrung über die Folgen bewusst unwahrer Bekundungen folgendes aus:

„Ich bin der Stiefbruder des Matthäus Eser. Wir haben die gleiche Mutter, jedoch bin ich unehelich von einem anderen Vater erzeugt. Ich bin selbstverständlich bereit zur Sache auszusagen, soweit ich dazu in der Lage bin.

Meine Mutter ist eine geborene Kerner. Außer mir hatten sie noch ein uneheliches Mädchen, die jetzige Frau Grünwald in Schrobenhausen. Sie ehelichte dann in Augsburg den Metzger Matthäus Eser, der schon in den ersten Jahren des ersten Weltkriegs gefallen ist. Aus dieser Ehe stammen Jakob und Matthäus Eser. Indessen verstarb auch die Mutter, das heißt meine Großmutter. Meine Mutter, die jetzt schon Witwe war, ist dann zu meinem Großvater nach Schrobenhausen gezogen und führte dort den Haushalt. So kam es, dass wir Kinder eigentlich im Hause des Großvaters aufgewachsen sind. Zu dieser Zeit war unser Großvater Maschinenheizer im Sägewerk Prügelmeier in Schrobenhausen. Zu dieser Zeit waren wir eigentlich vier Kinder. Die wirtschaftlichen Verhältnisse meiner Mutter bzw. des Großvaters waren zwar nicht rosig, aber auf keinen Fall so, dass wir vom Betteln leben mussten. Ganz und gar übertrieben ist, wenn mein Stiefbruder Matthäus Eser behauptet, er wäre vom Großvater zum Betteln und Stehlen geschickt worden. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage, wir Geschwister, Matthäus ausgenommen, haben uns bisher ehrlich durchs Leben geschlagen. Das hätte auch Matthäus tun können, aber er war von Jugend auf ein leichtsinniger Kerl.

Es ist schon richtig, dass mein Stiefbruder Matthäus schon als Schuljunge herumgestreunt ist und auch oft nachts nicht heimkam. Benno Merkl war seinesgleichen, der damals viel mit meinem Bruder beisammen war.

Der Einödhof Hinterkaifeck war mir im Jahre 1922, im Jahre der Tat, schon gut bekannt. Ich werde damals 13 bis 14 Jahre alt gewesen sein. Wir Buben, darunter auch mein Stiefbruder Matthäus, sind öfters in das Gehöft gekommen, wenn wir uns gelegentlich des Schwammerlnsuchens oder beim Holzsammeln in den umliegenden Waldungen etwas zu essen oder zu trinken geholt haben. Ich kann mich auch entsinnen, dass ich öfters in die Küche von Hinterkaifeck gekommen bin. Ich weiß auch noch, dass ich damals -es war ja die schlechte Zeit- öfters Milch geholt habe. Es dürfte dies auch beim Matthäus der Fall gewesen sein. Auf Befragen kann ich bestätigen, das die Hinterkaifecker als geizige Leute bekannt waren Mir ist aber nicht bekannt, dass sie von mir oder von anderen in meinem Beisein mal eine Gegenleistung für das Gegebene verlangt hätten. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zum Beispiel dafür Kartoffelstampfen hätte müssen.

Ich bin auch nach Hinterkaifeck gekommen, als ich von dem Verbrechen gehört habe. Wir hatten von Schrobenhausen aus ungefähr eine halbe Stunde zu gehen. Ich nehme bestimmt an, dass auch mein Stiefbruder Matthäus dort war, jedoch weiß ich das nicht sicher. Ich habe auch die Leichen gesehen. 4 Leichen lagen bereits draußen auf der Tenne. Das Kind lag noch im Wagerl drin und die Dirn in ihrer Kammer angezogen. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an das Kinderwägelchen. Es war so eines mit hohen Rädern, wie man es damals gehabt hat. Das Dach war zusammengeschlagen. Wahrscheinlich hat das der Täter getan, wie er hineingehauen hat.

Wenn man mich wegen des Hundes angeht, so erinnere ich mich, dass so ein kleiner „Pampser“ da war.

Mir wurde soeben die Aussage meines Stiefbruders Matthäus Eser vom 26.11.1951, drittletzter Absatz, den Diebstahl des Geräucherten betreffend, wortdeutlich vorgelesen. Ich kann nur sagen, dass ich von dieser Geschichte nichts mehr weiß. Damit möchte ich nicht hundertprozentig behaupten, dass es nicht so war, denn ich erinnere mich sonst noch an allerlei Einzelheiten. Ich weiß zum Beispiel noch, dass der Leichenbeschauer Geräuchertes in der Küche gegessen hat und welche Verletzungen die einzelnen Personen hatten, die getötet worden waren. Vom Gruber erinnere ich mich noch, dass er an der linken Seite erheblich verletzt war. Das neunjährige Mädchen war erheblich am Kiefer verletzt und hatte einen Büschel Frauenhaare in ihrer Hand. Ich nahm an, dass diese Haare von ihr selbst waren, die sie sich im Schmerz und Todeskampf selbst ausgerissen hat. Mir fielen auch noch die blutigen Fingerstriche am Hals auf. Meines Erachtens ebenfalls ein Zeichen dafür, dass das Mädchen mit der Hand noch Bewegungen über die schmerzende und blutende Wunde gemacht hat.

Ich habe mir in meiner jugendlichen Neugierde, wie man eben als Kind einmal ist, auch die Stelle angeschaut, wo der oder die Täter sich vorher wahrscheinlich aufgehalten haben. Es handelt sich um den Heuboden über dem Stall. Es war ein Heuloch und in der Nähe waren offenbar die Dachschindeln zur Seite geschoben, damit er hat herübersehen können nach Gröbern. Außerdem war in der Mitte eines Querbalkens ein längeres Heuseil befestigt. Ich vermutete, dass dies zu dem Zwecke war, um im Bedarfsfalle möglichst rasch herunter auf den Tennenboden zu gelangen. Ich bin der Meinung, dass dieses Seil natürlich nicht ständig heruntergehangen hat, sondern eben hochgezogen war, damit es niemandem auffällt. Ich erinnere mich heute aber insbesondere noch genau daran, dass bei diesem Heuloch Speckschwarten (Häute und Fettreste von Geräuchertem) herumgelegen haben. Daraus habe ich geschlossen, dass in diesem Heuloch längere Zeit jemand gehaust hat oder doch öfters einmal hierin Unterschlupf gesucht hat.

Ich habe die Artikelserie und insbesondere den letzten hiervon im „Donaukurier“ mit dem Titel „Die Nacht von Hinterkaifeck“ gelesen. Ich kann dazu nur sagen, dass mir mein Bruder von diesen Erlebnissen nie etwas erzählt hat, jedenfalls kann ich mich an so etwas nicht erinnern. Meine Frau hat einmal gesprächsweise zu mir gesagt, sie glaube, dass er nach dem Kriege einmal etwas von der Hinterkaifecker Sache dahergebracht habe. Meine Frau wird das schon wissen, wie es sich im Einzelnen damit verhalten hat. Mir ist nichts davon bekannt, dass mein Bruder einmal eine schwere Kopfverletzung hatte.

Die von mir entworfene Handskizze gibt die Örtlichkeit und Raumverteilung im Hinterkaifecker Hof so wieder, wie ich das Anwesen im Gedächtnis habe.

Weitere sachdienliche Angaben kann ich nicht mehr machen.




V.g.u.u.

vorgelesen, genehmigt und unterschrieben


Georg Kerner

Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

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