Aussagen: 1984-02-14 Fuchs Sofie

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Quelle

Staatsarchiv München

Detailinformationen

Datum

14.02.1984

Ort

Gröbern

Zugegen

Sofie Fuchs
Müller-Thumann, Kriminalhauptkommissar

Inhalt

Gröbern, 14.02.1984

Zeugenbefragung Sophie FUCHS


Am Dienstag, den 14.02.1984 fahre ich bei sonnigem Winterwetter nach Hinterkaifeck bzw. nach Gröbern, um zu erfahren, wo und wie der Hof der Hinterkaifecker ursprünglich gestanden hat. Ich hatte die Absicht, den Zeugen Andreas Schweiger (Anm. richtig: Schwaiger) drüber zu befragen. In Gröbern angekommen, fragte ich eine Bäuerin nach dem Hof des Andreas Schweiger. Diese erklärte:"Da hätten`s früher kommen müssen, wir ham ihn vor zwei Tagen eingrab`n.“

Ich fragte die Bäuerin, ob sie jemanden wisse, der mir den ursprünglichen Standort des Hofes Hinterkaifeck genau erklären könne. Sie sagte mir, daß der Schweiger sowieso immer ein bißchen übertrieben und nicht immer die reine Wahrheit gesagt hätte. Am besten ist es, Sie fahren zu der Fuchs Sophie, die weiß am besten Bescheid.

Frau Fuchs wird in Gröbern aufgesucht. Sie ist am 16.12.1915 in Gröbern geboren, verwitwet und wohnt in Gröbern, Brunnenstraße X, Tel. 08443/4XX. Frau Fuchs erzählt in ortsüblichem Dialekt und ich kann nicht immer jedes Fachwort verstehen. Ich gebe ihre Schilderung im Schriftdeutsch wieder.

„Soso, Sie sind von der Kriminalpolizei, wollen Sie vielleicht noch den Mörder finden von Hinterkaifeck?“ Ich sagte, daß dieser mit Sicherheit schon lange tot sei.“Der ist mit Sicherheit schon lange tot, denn ich weiß, wer`s war. Des war kein anderer, als der Schlittenbauer selber. Da können`s mich fragen und können alle Leut von Gröbern fragen. Die sag`n alle das Gleiche, daß es nämlich der Schlittenbauer war, der hat nämlich immer schon ein Aug` auf die Viktoria gehabt. Außerdem war er ja nämlich dabei, wie die Leichen gefunden worden sind. Er war ja der erste, der ins Anwesen reingegangen ist und der ist ja sogar über die Leichen drübergestiegen und hat sie nicht g`funden. Der Sigl Jackl und der Michl Pöll waren nämlich auch dabei, denen ist sofort aufg`falln, daß unter einer Stalltür etwas liegt. Nur der Lorenz Schlittenbauer der ist sogar über die Stalltür g`stiegen, ohne die Leichen zu entdecken. Das kann sich doch niemand vorstellen. Später hat er die Stalltür runter und des Stroh von den Leichen und nachher hat er`s wieder zugedeckt, wie es ursprünglich war.“ "Der Schlittenbauer hat zwar später g`heiratet, aber er ist der Viktoria immer noch nachgestiegen. Diese hat ihm dann den Vorwurf gemacht: `Hättest halt auf mich g´wart.` Und der Schlittenbauer Lorenz hat die Sache mit der Blutschande auch g`wußt. Des wär schon ein Motiv g`wesn.“

Ich fragte Frau Fuchs, ob es nicht vielleicht doch der junge Bauer Gabriel gewesen sein könnte.

Ja niemals. Mei Schwiegervater, der Fuchs Michael, von Reichelsbach und der Bichler von Waidhofen, die waren nämlich dabei, wie`s den Gabriel im 1. Weltkrieg eingrab`n ham. Damals ham`s nämlich alle immer von einer Ortschaft oder von einem Kreis in eine Kompanie g`steckt. Und dann sind bei diesen Schlachten oft sehr viele g`falln und damit war des für ein Dorf oft ein großer Verlust. Später hat man die Mannsleut in andere Kompanien verteilt. Wie damals der Schlittenbauer gestorb`n ist, der hat einfach nicht sterb`n könna, der Doktor hat`n immer wieder g`fragt, `wenn`s wos am Herzn hom, sagn`s mir doch`, aber der hat sein Geheimnis mit ins Grab g`nomma. Vor 61 Jahren ham`s den Hof dann abgrissn. Da war der Schlittenbauer auch dabei. Der hat irgendwo im Keller an einer Mauer rumgrab`n und da ham`s ihn gfragt, was er da eigentlich will. Dann hat er g´sagt, daß die Hinterkaifecker doch eine Menge Geld ham müss`n. Beim Mord damals ham`s auch einen Polizeihund gholt. Der ist de Tapper (Spuren) im Schnee nachganga. Und wo ist der Hund stehbliebn? Immer bloß beim Schlittenbauer is er um seine Fiaß rumgschlichn und dann hams`n zur Red gestellt. Dann hat er gsagt, des is ja kein Wunder, ich war ja bei den Leichen dort. Bereits damals hat ma ja den Schlittenbauer schon in Verdacht ghabt, aber er hat dann einen Prozeß wegen übler Nachrede und beweisen hat ma ihm nix könna, dann is a nix rauskomma dabei.

Die Cäzilie und ich, wir waren gleich alt und sind miteinander in die Schule gegangen. Wie des passiert ist, waren wir 7 Jahr. Sie hat ja immer des gleiche Gwand tragn. Sie ist sehr ärmlich ghalten worn. Einmal is sie in der Schul eingenickt (eingeschlafen). Dann hat sie der Lehrer gfragt, was los is mit ihr. Sie hat nachher gsagt, daß sie die ganze Nacht die Oma gsucht hätten. Der Vater (Ann. der Großvater] hätte sie nämlich mal wieder recht gschlagn und mir ham dann glaubt, daß sie in die Paar gangen sei. Mir ham sie aber net gfunden. Mir ham sie draußen im Wald dann gfunden, da war sie auf einem Baumstock gesessen.

Sie müssen nämlich wissen, der alte Hinterkaifecker war ein Hühnenmensch. Er war ungefähr 1,90 m groß und sehr kräftig. Und zu seine Leit war er immer recht grob. Furchtbar gemein aber war er zu seiner Frau. Die Frau, die Cäzilia Gruber, die hat wirklich viel mitmachen müssen. Die hat genau gwußt, daß er zu der eigenen Tochter ein Verhältnis hat. Und wenn die Viktoria manchmal zum Wirt nach Gröbern reinkommen ist, dann hat sie der Wirt manchmal gfragt, was los ist, weil sie so z'rupft is. Dann hat die Viktoria gsagt, 'na ja, Du woaßt scho, was er immer mit mir macht`.
Und mei Mutter hat immer scho gsagt über die Hinterkaifecker, des war bestimmt Gottes Fluch, daß des so weit kumma is.

Ich fahre mit der Frau Fuchs in die Flurgegend von Hinterkaifeck. In der verschneiten Flur, an der großen Wetterfichte, bleiben wir stehen. Dort ist auch das Marterl von Hinterkaifeck jetzt neu gesetzt worden. Die nicht mehr vorhandene Inschrifttafel wird nach Meinung der Frau Fuchs vom Gartenbauverein neu restauriert. Frau Fuchs geht mit mir zum Marterl und meint: “Am besten is, wir beten zuerst einmal einen 'Vater unser`.“

Ich zeigte ihr das vorhandene Bildmaterial und die erstellten Skizzen. Frau Fuchs erklärt mir dann genau, wie der Hof ursprünglich stand (sh. Bildtafel). Frau Fuchs beschrieb mir, daß die Rückseite des Wohngebäudes genau parallel zum Feldweg Gröbern - Marterl, Wetterfichte verläuft. Auf der Rückseite des Gebäudes stand außerdem der alte Backofen und daneben befand sich ein Brunnen mit einer hölzernen Ziehvorrichtung. Damit schöpften die Hinterkaifecker über eine Holzrinne, die der alte Hinterkaifecker selbst gezimmert hatte (er war nämlich handwerklich sehr gut veranlagt), das Wasser zum Kuhstall. Die eigentliche Einfahrt zum Hof befand sich von der Waldspitze her. Über diesen Weg gingen nämlich die Hinterkaifecker auch immer dann sonntags in die Kirche. Sonst hat man sie nie getroffen, sie waren furchtbar scheu und ließen auch keine Fremden in den Hof. Der Kontakt zu uns Gröberner oder Waidhofener war nur ganz gering. Sie suchten das Dorf nur auf, wenn es unbedingt notwendig war. Ich selbst war auch ein paar Mal mit der Cäzilie auf ihrem Hof. Die Hinterkaifecker sind, wenn sie nach Gröbern gingen, zuerst über den Hof zum Waldrand gegangen und dann über den Buckel weg nach Gröbern. Von diesem Weg aus ist man normalerweise nicht in den Hof reingegangen. Von unserem Platz aus (wir stehen auf dem Weg in Höhe des Hofes) gelangte man zuerst in den Obstgarten. Die hatten nämlich sehr viel Obst selbst gepflanzt und gezüchtet. Wir Kinder haben öfter mal was gekriegt davon. Ich weiß noch, daß man uns Obstbäume angeboten hat, als sie im Februar 1923 den Hof abgerissen haben.

Ich glaube, wir sollten die Hinterkaifecker in Ruhe lassen, unser Herrgott wird es schon richten.“



Müller-Thumann KHK

Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

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