Sonstiges: Der bäuerliche Tag

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Hier sollen alle Informationen über die jeweils anstehenden Arbeiten im Verlauf eines normalen Arbeitstages gesammelt werden...

Tagesplan

Auf einem Bauernhof fallen viele Arbeiten an. Damals waren noch viele dieser Tätigkeiten in mühevoller Handarbeit und zeitaufwändig zu erledigen. Um ein Gefühl für die damaligen Tagesabläufe zu bekommen sollen hier die wichtigsten Arbeiten aufgelistet werden.

Legende:

Farbcode
zu verrichtende Tätigkeit
  tägliche Arbeit die nicht zu einer festen Zeit erfolgen mußte
  Füttern Tränken und Ausmisten
  Arbeiten mit individuellem Rhythmus (wöchentlich, monatlich, halbjährlich, etc.)
  Tätigkeiten die mit einer Arbeitsvorbereitung am Vortag einhergehen




Tägliches
 
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 Dauer für 1 Person in h 
  


In der Küche
 
Kochen x x x x x x 3
Mahlzeiten x x x x x x x x x x x 1
Putzen                                             3
Landw. Arbeiten x x x x x x 16
Milcherzeugnisse                                             x 1
Nachtruhe x x x x x x x x 6


Rund um's Vieh
F: Füttern     T: Tränken     M: Melken     A: Ausmisten     W: Weiden     
 
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 Dauer je 1 Tier in h 
 Dauer auf HK in h
Rinder
Ochsen und
Stiere
                                               
Kühe           +M +M                 +M +M +M +M            
Kalbinnen
Kälber
Jungrinder
                                                 
Weitere Großtiere
Schweine                                                
Geflügel
Hühner F T F T T
Gänse T T T
Sonstige
Hund F T F T
Jagd/Schlachten


Nicht-tägliche Arbeiten
 
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 Dauer für 1 Person in h 
Wie oft pro Monat
Brotbacken                 8 1-2
Konservieren                                             2 1
Wäsche kompl.                 4 4
Kirchgang
Chorprobe
2 4
Garten/Ernte                                             3 8
Besorgungen                                             3 4
Milcherzeugnisse                                             4 1
Feld-und Erntearbeiten                                            
Schule x x x x x x x x 8 26



Bei den Uhrzeiten sind Zeitspannen angegeben, die in der Literatur oder in überlieferten Berichten als Richtwerte genannt wurden.
Bsp. Stallarbeit: der Zeitraum bezieht sich nicht auf die Dauer der eigentlichen Arbeit, sondern bedeutet lediglich, daß die Arbeit irgendwann in diesen Stunden stattfand.


Viehwirtschaft

Der Viehbestand ist in der Pielmayer-Zusammenstellung aufgeführt.

Rinder

Rinder werden i. d. R. zweimal täglich gefüttert (morgens und abends). Der stark schwankende Wasserbedarf hängt u. a. von Gewicht, täglicher Futteraufnahme und Umgebungstemperatur ab. Unter den herrschenden Temperaturen zwischen Tat und Auffindung nannte ein Tierarzt als tägliche Trinkmenge 15-30 Liter Wasser für Milchkühe. Für die Erleichterung des tränkens hatte Andreas Gruber eine hölzerne Rinne gezimmert die das Wasser vom Brunnen zum Stall leitete.
Oberhalb des Futtergangs befand sich eine Luke über die das Heu eingeworfen werden konnte. Im Stadel wo man die vier Leichen fand stand eine Futterschneidemaschine.

Ochsen

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit zwei Ochsen im Stall, für die man im Stadel auch 2 Ochsengeschirre aufbewahrte.

Stier

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit zwei Stiere im Stall.

Kühe

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit vier Kühe im Stall.
Zusätzlich zu der Fütterung mußten die Kühe morgens und abends noch gemolken werden. Im Buch Berichte aus vergangenen Tagen - Band 2 -: Erinnerungen eines Westallgäuers nennt der Verfasser Josef Bentele zwei Zeitvorgaben:

  • [1] um zwölf Kühe zu melken brauchten zwei mittelmäßige Melker etwa eine Stunde
  • [2] Ein geübter Melker kann auch acht Kühe in einer Stunde melken

Jungrind

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit drei Jungrinder im Stall.
Eines dieser Jungrinder war bei der Auffindung nicht im Stall angekettet, sondern hielt sich im Bereich der Scheunentüre auf wo es die Auffindungszeugen sahen.
Jungrinder sind Rinder im Alter von einem Jahr bis zur Geschlechtsreife im Alter von ca. 18 Monaten.

Kalbin

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit zwei Kalbinnen im Stall.
Als Kalbin wird ein junges weibliches, schon geschlechtsreifes Rind, das noch nicht abgekalbt hat bezeichnet, bei Kalbinnen entfällt daher auch das Melken.

Kalb

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit drei Kälber im Stall.
Für die Kälber befand sich im Stall neben der Türe ein eigener Platz. Von dort aus wurden sie zweimal täglich der Mutterkuh zum säugen zugeführt.

Ferkel

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit zwei Ferkel im Stall.
Die beiden Ferkel machten bei der Auffindung einen stark geschwächten Eindruck und wurden von Lorenz Schlittenbauer zur Versorgung mit auf dessen Hof genommen.

Hühner

Laut Inventarsprotokoll befanden sich zur Tatzeit etwa 25 Hühner am Hof.
Hühner bedarfen vergleichsweise wenig Aufwand. Im natürlichen Lebensraum fressen Hühner Gras, Körner, Würmer, Schnecken und Insekten. Körner und damit Getreide sind quasi das Grundnahrungsmittel der Hühner. Die Hühner mögen am meisten Weizen, gefolgt von Mais und Gerste. Auch wenig gewürzte und vorher zerkleinerte Essensreste kann man an die Hühner verfuttern. Der tägliche Wasserbedarf beträgt etwa 250 ml/Huhn.

Hund

Über den vorhanden Hund gibt es eine Spezialseite über die Rasse und eine Seite mit Aktenfundstücken

Gänse

Zur Tatzeit befanden sich zwar keine Gänse auf dem Hof, aus der Aussage der Kreszenz Rieger vom 09.07.1952 geht jedoch hervor, daß auf dem Hof Gänse geschlachtet wurde, evtl. fand dies nur zu besonderen Feiertagen wie Martini oder Kirchweih statt.
Als Weidetiere sind Gänse während der Vegetationszeit Selbstversorger und müssen nicht zugefüttert werden. Frisches Wasser muss aber immer vorhanden sein und die Wasserstelle sollte mindestens einmal pro Tag gereinigt werden.

Jagd/Schlachten

Das ein Mitglied der Familie die Jagd ausübte ist nicht bekannt. Das die Familie gelegentlich schlachtete ist aber durch die nachfolgenden Aktenfundstücke belegt.

  • Wendelin Kaspar war auch der Hausmetzger bei Gruber und hat das meiste Vieh, welches zum Verkauf stand, dort erworben. Josef Schrätzenstaller, 17.12.1951
  • Weiterhin hörte ich erzählen, dass ein verheirateter Mann aus Gröbern einmal in Hinterkaifeck mit dem Rupfen von Gänsen beschäftigt war. Kreszenz Rieger, 09.07.1952

Nicht-tägliche Arbeiten

Brot backen

Im Backhäuschen am Weg nach Gröbern dürfte wie damals üblich auf Vorrat Brot gebacken worden sein. Ob dort auch wie in vielen Gegenden üblich alle drei Wochen „Backtag“ war oder ob die Opfer einen anderen Turnus pflegten ist nicht bekannt.
Fürs Brotbacken wurde der Teig bereits am Vortag in einem großen Trog angesetzt. Anschließend musste er über Nacht "gehen". Am nächsten Morgen wurde der Ofen mehre Stunden lang vorgeheizt, parallel der Teig geknetet und geformt. War der Ofen heiß genug, wurden die Brotlaibe zum Anbräunen (Gnistern) kurz zwischen die Glut gelegt. Anschließend wurde der Ofen ausgewischt. Erst dann konnte der zwei- bis dreistündige Backvorgang beginnen. Quelle

Konservieren

Es ist sehr naheliegend, daß die Opfer das angebaute Obst und Gemüse aus ihrem Hausgarten nach deren Ernte durch spezielle Verfahren haltbar bzw. weiterverarbeitet haben (Marmelade, Kompott, usw.)

Wäsche kompl.

Auch mindestens ein ganzer Tag für die anfallende Wäsche wurde damals meist eingeplant, und war mit viel Aufwand verbunden. Bereits am Abend vor dem Großwaschtag wurde die Schmutzwäsche in Weiß-, Bunt- und Wollwäsche sortiert, die sortierte Wäsche wurde über Nacht in Waschbottichen mit Soda eingewichen. Am Waschtag selbst begann man dann in aller Frühe mit dem Zubereiten von warmen Wasser. In einem Waschkessel wurde Wasser eingefüllt und dieser mit Holz- und Kohlenfeuer befeuert. Zunächst wurde dann die über Nacht eingeweichte Wäsche ausgewrungen, eingeseift und Flecken gründlich ausgebürstet. Wenn das Wasser im Waschkessel heiß war gab man dort Waschpulver und die vorbehandelte sortierte Wäsche zu. Man rührte die Wäsche in dieser Lauge dann mehrmals mit einem Holzstab um und drückte sie nieder. Nach dem Kochen wurden die Wäschestücke einzeln auf dem Waschbrett gerubbelt. Zum Ende erfolgte das mehrfache Klarspülen durch Schwenken der Wäsche in immer frischem Wasser, bis dieses klar blieb.
Auf einigen Höfen fand dieser Waschtag vor allem im Winter im Backhäuschen statt aufgrund der Feuerstelle und auch des späteren schnellen Trocknens der Wäsche.

Kirchgang/Chorprobe

Die Familie war Mitglied der Kirchengemeinde Waidhofen. Insbesondere das Fehlen der Chorsängerin Viktoria in der Messe am 02.04.1922 schien bemerkt worden zu sein. Ob die gesamte Familie regelmäßig am Sonntagsgottesdienst teilnahm ist nicht bekannt. Nach einer Aussage der ehem. Dienstmagd Kreszenz Rieger, sei es auch oft vorgekommen, daß die die Eheleute Gruber und Viktoria Gabriel auch wochentags, wenn es die Zeit erlaubt hat, in der Früh den Gottesdienst besucht und die Kommunion eingenommen haben.
Viktoria Gabriel war aktives Mitglied im Kirchenchor Waidhofen und nahm laut Überlieferungen an den regelmäßigen Chorproben teil.
Die Entfernung vom Hof bis zur Kirche in Waidhofen beträgt einfach und "querfeldein“ circa 2 km und eine Laufzeit von 25 Minuten.

Garten/Ernte

Ein Hausgarten befand sich an der westlichen Giebelseite des Wohnhauses, dieser „Wurzgarten“ ist bei den dokumentierten Hofgrößen im Grundbuch mit 0,008ha (80 m²) angegeben. Zusätzlich befanden sich im nördlichen Vorgarten mehrere Obstbäume. Informationen über die Bepflanzungen sind nicht bekannt.

Besorgungen

Wenzeslaus Bley gibt in seiner Aussage vom 08.08.1930 an, daß Andreas Gruber und seine [[ Tochter am Tag vor dem Mord (Donnerstag, 30.03.1922) für Besorgungen in Schrobenhausen waren. Da dort die Auswahl der Dienstleister und Geschäfte größer war als in Waidhofen und zudem der Donnerstag ein festangesetzter Tag für den Vieh- und Viktualienmarkt in Schrobenhausen war, ist ein monatlicher Besuch für Besorgungen in Schrobenhausen naheliegend.

Milcherzeugnisse

1922 gab es keine Milchsammelstelle an welche die Familie ihre überschüssige Milch hätte liefern können. So musste täglich mindestens für eine ausreichende Kühlung der Milch im Keller gesorgt werden. Die Milchleistung einer Hauskuh betrug 1922 etwa 3000 l pro Jahr, was somit einer täglichen Milchleistung von ca. 8 l betrug.
Nach Abzug des Milch-Eigenbedarfs muß man davon ausgehen, daß die Opfer, die im Besitz einer Buttermaschine waren, die überschüssige Milch verarbeiteten.


Bilder