Aussagen: 1951-12-11 Dersch Xaver

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Quelle

Staatsarchiv Augsburg

Detailinformationen

Datum

11.12.1951

Ort

Pfaffenhofen

Zugegen

Xaver Dersch
Sandker, Kommissar d.LP.
Kagermeier, Oberkommissar d.LP.

Inhalt

Landpolizei Oberbayern
Pfaffenhofen, 11.12.1951

Kriminalaußenstelle
Pfaffenhofen

Vernehmungsniederschrift
Zur Dienststelle vorgeladen, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht, zur Wahrheitsangaben ermahnt und auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Anschuldigung hingewiesen, gibt Xaver Dersch wie folgt an:

I. Zur Person:

Dersch, Vorname: Franz Xaver, geb. 15.07.1890 in Pfaffenhofen, unehelich der Wäscherin Viktoria Dersch, verh. mit Johanna, geb. Wintersberger, Bäckerei, Deutscher StA., wohnhaft in Pfaffenhofen, Sulzbacher Straße 4/I, vorbestraft;
wirtschaftliche Verhältnisse: Seit 2 jahren ohne Arbeit, ich erhalte wöchentlich 27 DM Arbeitslosenfürsorge, Miete 20 DM monatlich, ein Kind im alter von 6 Jahren.

II. Zur Sache:

Ich bin zwar in Pfaffenhofen an der Ilm geboren und bis zum 17. Lebensjahr hier bei einem Rechtsanwalt als Bürolehring tätig gewesen, jedoch später nach Regensburg und Neufahrn gekommen. Mit knapp 20 Jahren bin ich zum Militär gekommen. Nach dem ersten Dienstjahr habe ich mich als Kapitulant für eine 12 jährige Dienstzeit verpflichtet gehabt. Diese Verpflichtung ist aber auf Grund einer Verurteilung durch das zust. Mil.-Gericht wegen Betrugs und Urkundenfälschung wieder aufgehoben worden. Ich bin dann nach Ableistung meiner zweijährigen Dienstzeit vom Militär ausgeschieden. Meine Angaben, ich sei Kapitulant, in dem Bericht ab den Donaukurier sind also unzutreffend. Bei Kriegsbeginn 1914 wurde ich wieder zur Infanterie eingezogen. Mein Dienstgrad war Infaterist. Im Jahre 1915 wurde ich Unteroffizier und bald darauf Kompaniefeldwebel. Im Jahre 1916 wurde ich wegen Unterschlagung, Urkundenfälschung u.a. zu 6 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, zum sogen. gemeinen Mann degradiert und zum Soldat 2. Klasse eingestuft. Einen Teil der Strafe habe ich im Oberhaus in Passau verbüßt. Im Nov. 1918 wurde ich als Infanterist vom Heer entlassen. Im Frühjahr 1919 kam ich zum Freikoprs Epp, dem ich bis zu dessen Auflösung im Oktober 1920 angehörte. In die Reichswehr bin ich nicht mehr eingetreten. Beim Freikorps Epp war ich wieder Kompaniefeldwebel. Einen Zivilversorgungsschein oder eine sonstige Versorgung erhielt ich nicht. Nach meinem Ausscheiden aus dem Freikorps kam ich als Gemeindeschreiber nach Waidhofen. Später habe ich die Verwaltungsprüfung abgelegt und wurde zum Gemeindesekretär für die Gemeinde Waidhofen, Koppenbach, Wangen und Diepoltshofen bestellt. Im Jahre 1926 wurde ich wegen Urkundenfälschung und Betruges zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Somit war ich als Gemeindesekretär nicht mehr tragbar und mußte entlassen werden. An meiner Verfehlung trug der damalige Bürgermeister Andreas Schrittenlocher aus Waidhofen die Hauptschuld, weil er mich veranlaßt hatte, zu seinem Vorteil eine Falschbuchung vorzunehmen. Er wurde gleichfalls verurteilt. Nach meiner Strafverbüßung wurde ich trotz meiner Verurteilung von den Gemeinden Koppenbach und Diepoltshofen noch etwa 2 Jahre als Gemeindeschreiber beschäftigt. Anschließend war ich bis 1939 selbstständiger Rechtskonsulent. Bis 1943 war ich wieder als Bäcker in Pfaffenhofen tätig. Im April 1943 wurde ich zur Organisation Todt eingezogen und dort als Feldpostmeister verwendet. Am 1.9.1945 fand ich eine Anstellung bei der Straßenverkehrsstelle Pfaffenhofen. Dort war ich bis 1.11.1946. Anschließend war ich 7 Monate lang Öffentlicher Kläger bei der Lagerspruchkammer Moosburg. Auf Veranlassung des Spruchkammervorsotzenden Schütz wurde ich jedoch dort entlassen. Bis 1949 war ich wieder Bäcker in Unterhaching und seither bin ich arbeitslos.

Seit März 1946 war ich in zweiter Ehe verheiratet. Ungefähr seit zwei Jahren trägt meine Frau "Die Pfaffenhofener Zeitung" aus, die jetzt vom Donaukurier in Ingolstadt übernommen worde ist. Es ist eigentlich praktisch so, daß ich die Zeitnung austrage. Es geht aber auf den Namen meiner Frau. Ich bin nicht Lokalberichterstatter für dieses Blatt.

Bei meiner heutigen Vernehmung wird mir ein Bericht zur Mordsache Hinterkaifeck an die Redaktion der "Pfaffenhofner Zeitung" vorgehalten. Es erübrigt sich, mir den Inhalt dieses Berichtes nochmals bekannt zu geben denn ich kenne ihm und habe außerdem noch eine Durchschrift davon im Besitz.

Auf entsprechenden Vorhalt muß ich erklären, daß ich mich für die Richtigkeit des Berichtes und die Wahrheit der von mir in diesem Bericht gemachten Angaben nícht verbürgen kann. Ich muß zugeben, daß ich Wahrheit mit Dichtung hierbei vermischt habe. Ich kann in keiner Weise beweisen und auch nicht behaupten, daß Karl Gabriel seit der Schlacht in den Masurischen Seen vermißt ist, als Sonderkommissar in Rußland lebt, von Bekannten über die Zustände von ihm daheim unterrichtet wurde, daraufhin vorübergehend nach Hinterkaifeck zurückgekehrt, den 6fachen Mord begangen und daraufhin wieder nach Rußland zurückgekehrt ist.

Ich habe dieses nur den Gerüchten entnommen, die über die Sache Hinterkaifeck damals in Umlauf waren und heute wieder, nach Veröffentlichung der Artikelserie wieder im Umlauf sind. Irgendwelche amtlichen Unterlagen, daß Karl Gabriel bereits 1914 in Nordfrankreich gefallen ist, sind mir während meiner Tätigkeit als Gemeindeschreiber nicht in die Hände gefallen. Ich sehe heute ein, daß es nicht anhängig ist, einen Verstorbenen einer derart schweren Straftat zu Unrecht zu beschuldigen. Bei Abfassung meines Berichts an den Donaukurier war ich mir jedoch der Tragweite dieser Handlung nicht bewußt. Ich sehe heute ein, daß ich leichtfertig gehandelt habe.

Bezüglich der Sache mit Hauptmann(Oberst) Hueber aus München glaube ich, daß es so war, daß der Landwirt Sigl (Hauserbauer) von Gröbern oder der Landwirt Schlittenbauer (Pichelweber) in Wolfshof mir gesagt haben, Hueber habe bei einer Treibjagd ihnen erzählt, er (Huebner) sei von Hinterkaifecker (Karl Gabriel) aus der russischen Kriegsgefangenschaft vorzeitig entlassen worden. Hueber habe weiter gesagt, Gabriel sei jetzt Sonderkommissar in Rußland und habe sich selbst als Mörder von Hinterkaifeck bezeichnet. Hueber soll weiter gesagt haben, Gabriel habe ihm einen Brief an den Staatsanwalt München mitgegeben. Wenn ich mich nicht täusche, hat mir Schlittenbauer oder Siegl dieses im Anschluß an eine Treibjagd im November 1944 erzählt. Ich war damals auf Urlaub daheim und gign nach Diepoltshofen hamstern. Dabei bin ich in der Gastwirtschaft Edelmann eingekehrt, wo auch die Jagdgesellschaft als Gäste war. Hueber, der mir persönlich bekannt war, war schon wieder fort. Schlittenbauer oder Sigl haben mir damals gesagt, daß gerade vorher Hauptmann Hueber die oben erwähnte Sache erzählt habe. Mit Sicherheit kann ich allerdings behaupten, ob mir Schlittenbauer oder Sigl seinerzeit dieses gesagt hat oder ob ich es von einer anderen Seite her habe. Irgendwann, irgendwo und von irgendwem muß ich aber erfahren haben, daß Hauptmann Hueber von Karl Gabriel in dessen Eigenschaft als Sonderkommissar aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden sein soll, wobei sich Gabriel als Mörder von Hinterkaifeck bezeichnet haben soll. Wenn Herr Hueber heute das Gegenteil behauptet, so muß ich angelogen worden sein. Mit Herrn Hueber habe ich über diese Sache nie gesprochen. Ich habe ihn schon seit Kriegsbeginn 1939, wahrscheinlich aber schon seit 1938, nicht mehr gesehen und gesprochen. Im Falle des Hauptmann Huebner habe ich wirklich im guten Glauben gehandelt, die Sache würde seine Richigkeit haben. Wenn Hueber heute erklärt, an der von mir vorgebrachten Sache sei kein wahres Wort, so muß ich einer falschen Information zum Opfer gefallen sein. Der Artikel im Donaukurier Nr. 140 vom 24.11.1951 ist mir neu. Ich habe diesen Artikel bisher nicht gelesen. In der Pfaffenhofner Ausgabe war er nicht abgedruckt. Bei dem in diesem Artikel angegebenen Zeugen, einem ehem. Gemeindeangestellten, der damals in Waidhofen Dienst versah, kann es sich nur um meine Person handeln. Zu diesem Artikel habe ich keinen schriftlichen Bericht abgegeben. Ich habe aber das, was der Artikel enthält, dem Reporter Häcker vom Donaukurier mündlich vorgebracht, Häcker hat aber den Artikel noch etwas ausgeschmückt. Im allgemeinen stimmt der Inhalt des Artikels aber mit meinen Angaben überein. Meine Angaben waren lediglich eine Wiederholung der Angaben, die mir entweder der Siegl oder Schlittenbauer im Jahre 1944 gemacht hatten.

Ich habe in meinem schriftlichen Bericht an den Donaukurier auch erwähnt, Karl Gabriel habe nur zweimal nach Hause geschrieben. Woher ich dieses weiß, kann ich heute nicht mehr sagen. Wenn Gabriel 1914 schon in Frankreich gefallen ist, kann er später in Rußland nicht mehr geschrieben haben. Ich habe weiter erwähnt, ein Bekannter des Gabriels habe diesem die häuslichen Verhältnisse in Hinterkaifeck nach Rußland geschreiben. In dieser Sache kann ich nur angeben, daß der Landwirt Katzlmeier, mit dem Hausnamen zum Steierl in Wangen, etwa 55 Jahre alt, kurz nach dem letzten Kriege zu mir einmal gesagt hat, ein Hohenwarter habe den Karl Gabriel die Verhältnisse von daheim nach Rußland geschrieben. Ich wollte damals schon von Katzmeier den Namen des besagten Hohenwarters wissen. Er hat ihn mir aber nicht gesagt. Da nun aber Gabriel doch nachweislich 1914 gefallen ist, kann man ihm natürlich nichts nach Rußland geschreiben haben. Ich haben nur das Hehörte in dem Bericht für den Donaukurier verwertet.

Abschließend möchte ich folgendes angeben:
1. Es war nicht meine Absicht, irgendwelche Behörden irgendwie zu täuschen und die Polizei bei ihren Ermittlungen nach dem Mörder von Hinterkaifeck auf eine falsche Spur zu bringen. Wenn ich in meinem Bericht zum Ausdruck gebracht habe, Karl Gabriel könnte der Mörder von Hinterkaifeck sein, so tat ich des deshalb, weil ich auf Grund der bestehenden Gerüchte des Glaubens war, Karl Gabriel würde noch leben und sei wirklich der Mörder.

2. Es war ferner nicht meine Absicht, den verstorbenen Karl Gabriel zu verleumden. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich muß aber zugeben, daß ich hier zumindest leichtfertig gehandelt habe. Aus dieser Erfahrung werde ich künftig lernen.

3. Ich glaube nicht, daß ich mich der Verletzung der Amtsverschwiegenheit schuldig gemacht habe. Mein Artikel enthält Angaben, die der Amtsverschwiegenheit unterlegen hätten. Daß die Beurkundung einer Geburt zu den Obliegenheiten eines Gemeindeschreibers gehört, kann kein Geheimnis sein und war allgemein bekannt. Ebenso war allgemein bekannt, daß die Kriminalpolizei damals wochenlang Vernehmungen durchführte und auch Festnahmen ausgeführt hatte. Ferner war es Ortsgespräch, daß im Zusammenhang mit diesen Vernehmungen eine Anzahl von Sühnetermine stattfanden. Daß Gruber und Frau Gabriel wegen Blutschande verurteilt und das Kind Josef aus dieser verbrecherischen Geschlechtsverbindung stammt oder stammen soll, habe ich nicht in amtlicher Eigenschaft als Gemeindesekretär erfahren. Es wurde darüber allgemein gesprochen.

Für meinen schriftlichen Artikel und meinen mündlichen Bericht habe ich vom Donaukurier oder der dieser angegliederten Pfaffenhofener Zeitung keine Entschädigung erhalten. Ich habe nur diesen einen schriftlichen Artikel zur Veröffentlichung eingereicht. Der von mir schriftlich eingereichten Artikel ist nicht wörtlich wiedergegeben worden. Es wurde daran Verschiedenes weggelassen aber auch anderes hinzugefügt oder verändert.

Sollte ich damals wieder einen Artikel für eine Zeitung schreiben, so werde ich mich streng an die Wahrheit halten.
Sofern ich mich strafbar gemacht haben sollte, bitte ich um eine milde Beurteilung und Würdigung der Tatsache, daß ich niemanden irreführen und niemanden beleidigen wollte.

Geschlossen Anwesend v.g.u.u.
gez.: Kagermeier gez.: Sandker gez.: Xaver Dersch
Ob.Komm.d.LP. Komm.d.LP.


Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

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