Dokumente: 1922-08-22 Beschluß des obersten bayer. Landgericht in München in Erbsachen Gabriel: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Das Hinterkaifeck-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 65: Zeile 65:
Das Amtsgericht ging hierbei von der Annahme aus, daß die minderjährige Zäzilia Gabriel nit ihrer Mütter Viktoria Gabriel in einer gemeinsamen Gefahr" im Sinne des § 20 des Bürgerlichen Gesetzbuchs umgekommen sei, deshalb Mutter und Tochter als gleichzeitig gestorben anzusehen seien und; die Tochter-für die Erbfolge auszuscheiden habe.<br>
Das Amtsgericht ging hierbei von der Annahme aus, daß die minderjährige Zäzilia Gabriel nit ihrer Mütter Viktoria Gabriel in einer gemeinsamen Gefahr" im Sinne des § 20 des Bürgerlichen Gesetzbuchs umgekommen sei, deshalb Mutter und Tochter als gleichzeitig gestorben anzusehen seien und; die Tochter-für die Erbfolge auszuscheiden habe.<br>
Gegen diesen Beschluß, von dem inhaltlich der Akten lediglich dem Finanzamt Schrobenhausen zum Zwecke der Katasterumschreibung Mitteilung gemacht worden war, legte Justizrat Rechtsanwalt Graf in Neuburg Namens des Gütlers Karl Gabriel in Laag, des väterlichen Großvaters der Zäzilie Gruber <i>(Anm.: gemeint ist Gabriel)</i>  Beschwerde zum Landgerichte Neuburg ein mit dem Antrag 1. die Ausstellung des Erbscheins als unzulässig aufzuheben, 2. Erbschein von Amtswegen einzuziehen und wenn derselbe schon erteilt sein sollte und nicht sofort erlangt werden könne durch Beschluß für kraftlos zu erklaren.<br>
Gegen diesen Beschluß, von dem inhaltlich der Akten lediglich dem Finanzamt Schrobenhausen zum Zwecke der Katasterumschreibung Mitteilung gemacht worden war, legte Justizrat Rechtsanwalt Graf in Neuburg Namens des Gütlers Karl Gabriel in Laag, des väterlichen Großvaters der Zäzilie Gruber <i>(Anm.: gemeint ist Gabriel)</i>  Beschwerde zum Landgerichte Neuburg ein mit dem Antrag 1. die Ausstellung des Erbscheins als unzulässig aufzuheben, 2. Erbschein von Amtswegen einzuziehen und wenn derselbe schon erteilt sein sollte und nicht sofort erlangt werden könne durch Beschluß für kraftlos zu erklaren.<br>
Zur Begründung der Beschwerde wurde geltend gemacht: Die minderjährige Zäzilie Gabriel habe ihre Mutter Viktoria Gabriel allein beerbt, der Beschwerdeführer als Großvater der Zäzille Gabriel sei der Alleinerbe der letzteren geworden und deshalb gebühre ihm auch allein der Nachlaß Viktoria Gabriel. Die Voraussetzungen des § 20 BGB. lägen nicht vor, denn ein mehrfacher Raubmord, dem die Bewohner des Einödanwesens Hinterkaifeck zum Opfer fielen, sei nicht ein Ereignis, sondern umfasse mehrere Ereignisse, es könne deshalb nicht davon gesprochen werden, daß mehrere Personen in einer gemeinsamen Gefahr umgekommen seien und hiernach die gesetzliche Vermutung für einen gleichzeitigen Tod bestehe.

Version vom 28. September 2022, 12:22 Uhr

Detailinformationen

Datum

22.08.1922

Ort

München

Art des Dokumentes

Antwortschreiben vom Obersten Landesgericht

Verfasser

Oberstes Landesgericht

Quelle

Staatsarchiv München, AG Schrobenhausen NR 1922/41-43

Inhalt

Reg III. Nr. 75/1922
Zum Abdruck bestimmt



Beschluß.

Auf die weitere Beschwerde des Gütlers Karl Gabriel in Laag gegen den Beschloss des Landgerichts Neuburg a.D. vom 30. Juni 1922 in der Nachlaßsache der Gütlerswitwe Viktoria Gabriel von Hinterkaifeck beschließt das Oberste Landesgericht -Ferienzivilsenat - unter Mitwirkung des Präsidenten Staatsrats Dr. von Unzner und der Räte Ulrich, Knauer, Dr. Silberschmidt und Dr. Engelmann in der Sitzung vom 29 Juli 1922:

Reg III. Nr. 75/1922
Zum Abdruck bestimmt



Beschluß.

Auf die weitere Beschwerde des Gütlers Karl Gabriel in Laag gegen den Beschloss des Landgerichts Neuburg a.D. vom 30. Juni 1922 in der Nachlaßsache der Gütlerswitwe Viktoria Gabriel von Hinterkaifeck beschließt das Oberste Landesgericht -Ferienzivilsenat - unter Mitwirkung des Präsidenten Staatsrats Dr. von Unzner und der Räte Ulrich, Knauer, Dr. Silberschmidt und Dr. Engelmann in der Sitzung vom 29 Juli 1922:

   I. Die weitere Beschwerde des Karl Gabriel wird als unbegründet zurückgewiesen.
   II. Karl Gabriel hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Jr. der Nacht vom 31. März auf 1. April 1922 wurden im Einödsanwesen Hinterkaifeck die sämtlichen Bewohner desselben, darunter die verwitwete Anwesensbesitzerin Viktoria Gabriel, ihre siebenjährige Tochter Zäzilie Gabriel und ihre leiblichen Eltern, die Austräglerseheleute Andreas und Zäzilie Gruber ermordet.
Nach Durchführung der Nachlaßverhand1ungen stellte das Amtsgericht Schrobenhausen als das zuständige Nachlaßgericht zu den Akten einen Erbschein aus, in dem bezeugt wird, daß die vom 31. März auf 1.Apri1 1922 oder um diese Zeit herum in Hinterkaifeck verstorbene Bauerswitwe Viktoria Gabriel geb.Gruber auf Grund Gesetzes beerbt wurde von 1. Zäzilie Starringer, Gütlersfrau in Gerenzhausen zur Hälfte, 2: Anna Gruber Dienstmagd in Greinstetten,

  I. Die weitere Beschwerde des Karl Gabriel wird als unbegründet zurückgewiesen.
   II. Karl Gabriel hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Jr. der Nacht vom 31. März auf 1. April 1922 wurden im Einödsanwesen Hinterkaifeck die sämtlichen Bewohner desselben, darunter die verwitwete Anwesensbesitzerin Viktoria Gabriel, ihre siebenjährige Tochter Zäzilie Gabriel und ihre leiblichen Eltern, die Austräglerseheleute Andreas und Zäzilie Gruber ermordet.
Nach Durchführung der Nachlaßverhand1ungen stellte das Amtsgericht Schrobenhausen als das zuständige Nachlaßgericht zu den Akten einen Erbschein aus, in dem bezeugt wird, daß die vom 31. März auf 1.Apri1 1922 oder um diese Zeit herum in Hinterkaifeck verstorbene Bauerswitwe Viktoria Gabriel geb.Gruber auf Grund Gesetzes beerbt wurde von 1. Zäzilie Starringer, Gütlersfrau in Gerenzhausen zur Hälfte,
2. Anna Gruber, Dienstmagd in Greinstetten,
3. Josef Gruber Taglöhner in Pfaffenhofen
4. Bernhard Gruber, Gütler in Strobenried
3. Josef Gruber Taglöhner in Pfaffenhofen
4. Bernhard Gruber, Gütler in Strobenried
  zu je einem Zehntel,
5. Josef Starringer, Gütlerssohn in Schachach
6. Marie Starringer, Dienstmagd in Lichthausen
  zu je einem Zwanzigstel, 7. Therese Gruber, Gütlerstochter in Grünstetten
8. Marie Wagner, geb.Gruber, Sattlersfrau in Grüntegernbach
9. .Leonhard Gruber, Gütlerssohn in Grünstetten
10. Peter Gruber, Gütlerssohn in Grünstetten
11. Michael Gruber Gütlerssohn in Grünstetten
  zu je einem Fünfzigstel

>br> Das Amtsgericht ging hierbei von der Annahme aus, daß die minderjährige Zäzilia Gabriel nit ihrer Mütter Viktoria Gabriel in einer gemeinsamen Gefahr" im Sinne des § 20 des Bürgerlichen Gesetzbuchs umgekommen sei, deshalb Mutter und Tochter als gleichzeitig gestorben anzusehen seien und; die Tochter-für die Erbfolge auszuscheiden habe.
Gegen diesen Beschluß, von dem inhaltlich der Akten lediglich dem Finanzamt Schrobenhausen zum Zwecke der Katasterumschreibung Mitteilung gemacht worden war, legte Justizrat Rechtsanwalt Graf in Neuburg Namens des Gütlers Karl Gabriel in Laag, des väterlichen Großvaters der Zäzilie Gruber (Anm.: gemeint ist Gabriel) Beschwerde zum Landgerichte Neuburg ein mit dem Antrag 1. die Ausstellung des Erbscheins als unzulässig aufzuheben, 2. Erbschein von Amtswegen einzuziehen und wenn derselbe schon erteilt sein sollte und nicht sofort erlangt werden könne durch Beschluß für kraftlos zu erklaren.
Zur Begründung der Beschwerde wurde geltend gemacht: Die minderjährige Zäzilie Gabriel habe ihre Mutter Viktoria Gabriel allein beerbt, der Beschwerdeführer als Großvater der Zäzille Gabriel sei der Alleinerbe der letzteren geworden und deshalb gebühre ihm auch allein der Nachlaß Viktoria Gabriel. Die Voraussetzungen des § 20 BGB. lägen nicht vor, denn ein mehrfacher Raubmord, dem die Bewohner des Einödanwesens Hinterkaifeck zum Opfer fielen, sei nicht ein Ereignis, sondern umfasse mehrere Ereignisse, es könne deshalb nicht davon gesprochen werden, daß mehrere Personen in einer gemeinsamen Gefahr umgekommen seien und hiernach die gesetzliche Vermutung für einen gleichzeitigen Tod bestehe.