Dokumente: 1949-02-25 Brief Anneser Johann

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Brief des Hans Anneser an die Staatsanwaltschaft Augsburg

Detailinformationen

Datum

25.02.1949

Ort

Wettenhausen

Art des Dokumentes

Brief

Verfasser

Johann Anneser

Verfasst für

Staatsanwaltschaft Augsburg

Quelle

Staatsarchiv München, PolDir 8091b

Inhalt

Wettenhausen, den 25.2.1949

Hans Anneser Wettenhausen
Kr. Günzburg


An die Staatsanwaltschaft Augsburg


Zum Raubmord in Hinterkaifeck!
Mit großem Interesse entnehme ich aus der Günzburger Tagespost vom 22.2.1949 den geschilderten Sachverhalt über den Raubmord in Hinterkaifeck. Ich der Unterzeichnende war zur damaligen Zeit als Gendarmerie-Wachtmeister in Schrobenhausen tätig u. habe der ersten Augenscheineinnahme der Gerichtskommission beigewohnt. Als dienstältester Gendarmerie-Beamter wurde ich vom Herrn Oberamtsrichter Wiesner [Anm. richtig: Wiessner] befohlen, die Wohnung der Ermordeten zu durchsuchen. Ich nahm mit Gend. Wachtmeister Großmann die angeordnete Hausdurchsuchung vor.

Gefunden wurden 70 M Goldgeld u. ein Fünfmarkschein in Papiergeld, außerdem 2 Taschenuhren, welche unter anderen Kleidungsstücken im Bette lagen. Die Schubladen von einer Waschkommode waren herausgezogen u. durchwühlt. Von dem Vorhandensein von 3000 M Goldgeld ist mir nie etwa bekannt geworden, auch ist es nicht richtig, dass Papiergeld herumgelegen u. Gegenstände umgestoßen waren.

Die erste Augenscheineinnahme erfolgte nachts um 10 Uhr durch Herrn Oberamtsrichter Wiesner. Außerdem waren anwesend Gerichtsinspektor Glaser, Assistent Hirschmann ich u. Wachtmeister Großmann. Gegen 12 Uhr nachts kam dann die Mordabteilung der Polizeidirektion München angefahren. Kriminalinspektor Reingruber hat dann am darauffolgenden Tag festgestellt, dass der Mord in der Nacht vom Freitag auf Samstag verübt wurde, während ich am darauffolgenden Tage mit dem Herrn Staatsanwalt aus Neuburg nochmals das ganze Anwesen durchsucht habe. Gefunden wurde noch eine Anzahl Pfandbriefe, aber außer dem bereits erwähnten Geld nichts.
Es stand außer allem Zweifel, daß sämtliches vorhandene Geld geraubt wurde. Die Feststellung dass der Mord in der Nacht vom Freitag auf Samstag verübt wurde, ist nicht meine Ansicht, aber es blieb dabei, weil Reingruber ermittelt hat, dass das ermordete Mädchen am Freitag noch in der Schule war u. am Samstag dagegen nicht mehr.

Ferner kam Reingruber angefahren, sah die Leichen an u. erklärte kurzerhand, das habe der Bäcker Bertel aus Geisenfeld getan. Ich widersprach ihm, dass man dies nicht so ohne weiteres behaupten könne, worauf wir beinahe aneinander geraten wären. Aus diesem Grunde habe ich auch meinen schon damaligen Verdacht nicht mehr ausgesprochen u. habe mir gesagt, der siebengescheite Herr Inspektor soll sich nur selbst den Kopf zerbrechen u. nach dem Täter fahnden. Nach meiner Ansicht wurde der Mord vom Samstag auf Sonntag, d.h. am Samstagabend verübt.

Die Feststellung dass der Mord vom Freitag auf Samstag verübt wurde, war für die Täter ein großer Vorteil. Die Verdächtigen haben dadurch ein einwandfreies Alibi nachgewiesen. Ich habe meinen nicht unbegründeten Verdacht wegen dem vorher erwähnten Reingruber nicht mehr ausgesprochen, doch kam nach einigen Tagen von der Augsburger Kriminalpolizei ein Schreiben an die Gendarmerie-Station Schrobenhausen in welchem ein Beamter auf einen gewissen Eduard Mertel aufmerksam gemacht hatte. Auf dieser Person und auf einem angeblichen Nachtmann ruhte auch mein Verdacht.

Auch daraufhin habe ich noch nichts gesagt u. der Stationsführer Gend. Oberwachtmeister Oberndorfer gab die Erhebungen weiter nach Günzburg wo Mertel damals wohnhaft war. Das Schreiben kam zurück; Mertel hat sein Alibi nachgewiesen. Sein Genosse Nachtmann wurde nie befragt.

Mertel, Eduard war ein Bekannter von mir u. stammte von meinem Heimatdorf. Solange ich denken kann, kenne ich Mertel, war aber noch nie mit ihm in irgendeiner Feindschaft, aber auch in keine Freundschaft verwickelt.

Ungefähr 4-5 Wochen vor dem Raubmord habe ich ihn im Gasthaus zum Stiegelbräu in Schrobenhausen getroffen, wo er mit Nachtmann zusammen zechte. Seit diesem Zeitpunkt bis heute habe ich ihn nicht mehr gesehen. Seine Frau lebte in Schrobenhausen, er in Günzburg, oder Umgebung. Er kam aber von Zeit zu Zeit immer wieder einmal nach Schrobenhausen zu seiner Frau. Jener Nachtmann wohnte bei seiner Frau.

Ob Mertel, Nachtmann oder Frau Mertel noch am Leben ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Mertel hat schon im Jahre 1921 einen Mord an einem Schäfer in Steingriff geplant. Dieser Mord kam jedoch nicht zur Ausführung da ich Kenntnis von seinem Vorhaben erhielt u. ihn zur Rede stellte. Auch von diesem Vorfall habe ich meiner damaligen vorgesetzten Dienststelle nichts gemeldet. Es würde mich interessieren, zu erfahren, ob jenes Mädchen welches aussagte ihr Vater sei der Mörder von Hinterkaifeck nicht die Tochter Mertels war.

Im Jahre 1931 erschien in der Zeitung ein Artikel, dass ein Mann namens Nachtmann ausgesagt habe, er kenne den Mörder von Hinterkaifeck. Seit diesem Zeitpunkt bin ich der festen Überzeugung, dass beide die Täter waren. Nachtmann war damals verschwunden u. wurde von den Behörden gesucht. Ob er je wieder aufgefunden wurde, weiß ich nicht.

Hans Anneser

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