Sachverhalte: Der Schreitest

Aus Das Hinterkaifeck-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.

Was?

Bereits beim richterlichen Augenschein durch die Gerichtskommission des Amtsgerichts Schrobenhausen stellte sich die Frage wie es möglich war, die ersten vier Opfer einzeln in die Scheune zu locken und vermeintlich an derselben Stelle zu erschlagen. Deshalb veranlasste der Oberamtsrichter Wiessner einen Test, bei dem mehrere Hörproben vorgenommen wurden. Ziel war es, zu ermitteln, ob Geräusche (konkret: Schreie) vom Tatort im Stadel noch in der Wohnstube zu hören waren.

Ausführung

Nach einem Uhrenabgleich positionierten sich 2 Personen im Stadel, wo die 4 Leichen gefunden worden waren. Ihre Aufgabe war es, so laut als möglich zu schreien.
Gleichzeitig übernahm Oberamtsrichter Wiessner die Aufgabe, zu den vereinbarten Zeiten in der Magdkammer und im Wohn-/Schlafzimmer zu lauschen.

Ergebnis

R² steht für die beiden schreienden Personen am Leichenfundort im Stadel. Der Richter konnte Beide in der Mägdekammer und im Wohnzimmer nicht hören (sh. 6. Offene Fragen/Bemerkungen)

(bitte Abschnitt zu den offenen Fragen beachten!)
Laut Wiessners Bericht konnte man keine Schreie im Wohntrakt hören.

Aktenfundstücke

(hier sind auch Auszüge aus Zeitungsartikeln enthalten)

  • "Selbst wenn die Person, die gerade im Stadel niedergeschlagen wurde, schrie, so konnte das in der Mägdekammer u.im Schlaf- u.Wohnzimmer nicht gehört werden. Es wurden mehrere Hörproben vorgenommen, der Richter begab sich in die Mägdekammer u. in das Wohnzimmer u. ließ durch zwei Personen an der Stelle im Stadel, wo die Leichen gefunden worden waren, ein mächt. Geschrei aufführen. Die Uhr des Richters und der Personen war vorher genau auf die Minute gleich eingestellt u. genau zur verabredeten Zeit wurde geschrien. Von den Schreien war weder in der Mägdekammer noch im Wohnzimmer irgend etwas zu hören." [1]
  • "Aber selbst, wenn man zugibt, daß die einzeln Überfallenen nach Hilfe geschrien, dann ist der Umstand mitzurechnen, da in dem dumpf gebauten Hause auch ein lauter Schrei nicht vom Stall bzw. Stadel in das Wohnzimmer gedrungen wäre. Man hat in dieser Hinsicht nachträglich Proben angestellt und sich einwandfrei überzeugt, daß ein sehr lauter Ruf nicht vom Wohnzimmer nach dem Stall und umgekehrt drang." [2]
  • "Die Einwendung, daß man die Rufe der im Stall getöteten Opfer doch irgendwie in den Wohnräumen hätte vernehmen müssen, wird aufgeklärt, wenn man weiß, daß das dumpf gebaute alte Haus auch sehr laute Töne nicht durchdringen ließ, wie ein nachträglich angestellte Probe bewies." [3]

Pro

Die Akustik jedes Gebäudes mit seiner Raumaufteilung, dem Mobiliar und den Geräuschkulissen (z.B. durch tickende Uhren oder die Tieren) ist so individuell, dass im Zweifelsfall nur ein Test vor Ort Auskunft über die Fragen der Hörbarkeit bestimmter Laute gibt.

Kontra

Geräusche die von den Bewohnern als bedrohlich eingestuft wurden, oder die ihnen vertraut waren waren Fremden nicht bekannt und konnten auch durch einen Schreitest nicht entsprechend gelöst werden um festzustellen was die Opfer bewog in die Scheune zu gehen.

Offene Fragen/Bemerkungen

Während Wiessner zunächst beschreibt das im Schlaf- u.Wohnzimmer nichts gehört werden konnte, dokumentiert er später, dass er sich in die Mägdekammer und in das Wohnzimmer begab. Die Raumbezeichnungen sind hier unklar verwendet. Das Wohnzimmer diente gleichzeitig als Schlafzimmer des Ehepaars Gruber. Im eigentlichen Schlafzimmer schliefen Viktoria Gabriel und ihre Kinder. Ob Wiessner also in der Wohnstube der Grubers war oder im Schlafzimmer oder in beiden geht nicht eindeutig hervor.
Ob in der Küche Geräusche aus dem Stadel gehört wurden, wurde leider nicht geprüft oder dokumentiert. Diese Information wäre wichtig gewesen, weil die erwachsenen Frauen noch ihre Alltagskleidung trugen und somit die Möglichkeit besteht, dass sich eine oder mehrere von ihnen in der Küche aufgehalten haben, als die ersten Morde im Stadel passierten. Dafür spricht auch, dass nach dem Abendessen das Geschirr noch nicht abgespült war, eine der letzten abendlichen Tätigkeiten.
Unbekannt ist auch, ob die Türen zwischen dem Richter und den schreienden Personen offen oder geschlossen waren.

Quellen/Herkunft

[1] Augenscheinsprotokoll des Oberamtsrichter Wiessner, 04./05. April 1922
[2] Augsburger Zeitung, 08. April 1922
[3] Münchner Zeitung, 10. April 1922