Sachverhalte: Die polizeilichen Ermittlungen am Beispiel der tatverdächtigen Gebrüder Bichler: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. September 2022, 13:10 Uhr

Was?

Aufgrund der unvollständigen Aktenlage ist es teilweise schwierig bis kaum nachzuvollziehen, weshalb einzelne Tatverdächtige ausgeschlossen werden konnten, bzw. wie überhaupt die einzelnen Ermittlungen abgelaufen sind.

Beispiel einer Ermittlung

Verhältnismäßig gut -wenn auch vermutlich nicht vollständig- sind einzig die Ermittlungen zu den tatverdächtigen Bichler Brüdern erhalten, an denen man aber die Bemühungen und Ermittlungsarbeit der Polizei erkennen kann.


Aufkommen des Verdachts

Die Beamten erhalten zeitnah Hinweise auf die Brüder Anton und Karl Bichler, weil sich diese bereits durch Gaunereien eine schlechte Reputation erlangt haben.
Bis zum 26.04.1922 liegen drei Zeugenaussagen vor, welche die Brüder belasten, und Georg Neuss schreibt am 27.04.1922 seinem Vorgesetzen.:

“In der Anlage übersende ich Ihnen 3 Abschriften von Einvernahmen wichtiger Zeugen. Die Beschuldigungen gegenüber der Gebr. Bichler, die z. Zt. in Lindenhof, Gde. Althegnenberg Gend. Bezirk Harthausen, Bez. Amt Bruck auf einem Gute beschäftigt sind, ist nicht von der Hand zu weisen.“

Folgende drei Aussagen lagen am 27.04.1922 vor:

Befragen von Zeugen

Ergänzt wurde der Verdacht gegen die Bichlers durch weitere Aussagen, nämlich als man gezielt die Personen vernahm, die in den drei belastenden Zeugenaussagen als weitere Zeugen erwähnt wurden.


Am 02.05.1922 schreibt Neuss erneut nach München und berichtet über die Ermittlungen zu den Bichler Brüdern.

“(…) Wie fast durchwegs aus den anliegenden Vernehmungen hervorgeht, wird Karl Bichler, als des Mordes verdächtig bezeichnet. Er wird, wie aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich ist als eine arbeitscheue, zu Eigentumsdelikten sehr geneigte Person geschildert. So hat er sich nach den Angaben des Schönecker im Sommer 21 zum Ärger der arbeitenden Bewohner in Waidhofen und in der Umgebung umhergetrieben, so daß der Antrag zwecks Einschaffung in ein Arbeitshaus bei der Gemeindeverwaltung Waidhofen einlief. Bei einem Zusammentreffen in der Wirtschaft zum Reger in Waidhofen, hat Karl Bichler sich dem Schönecker gegenüber, der ihn gefragt hatte, wie er ohne zu arbeiten so durchkäme, geäußert:“Ja, Simmerl, arbeiten tu ich nichts mehr, so dumm bin ich nicht, daß ich mir die Hände dreckig mache, es muß so auch gehen und wenn ich mir die Hände b l u t i g machen müßte“.

Außerdem soll er gesagt haben, daß er den Hinterkaifeckern ihre Goldstücke noch möchte. Ähnlich hat sich Karl Bichler auch anderen Personen gegenüber geäußert, was aus den Anlagen ersichtlich ist. Auch Anton Bichler wird vom Riedl –Anl. 5- als eine Person bezeichnet, die nur soviel arbeitet, als unbedingt zum Durchkommen nötig ist.“

Konfrontation des Tatverdächtigen mit dem Verdacht und (Beschuldigten-) Vernehmung

Die Brüder arbeiteten zur Tatzeit auf dem Gut Lindahof, zugehörig zur Gemeinde Althegnenberg, etwa 60 km von Hinterkaifeck entfernt. Dort erfolgte am 04.05.1922 auch die Vernehmung der Beiden.
Anton Bichler wurde in der Wohnung seiner Chefin vernommen, und bestritt die Tat, er gab ein Alibi an und benannte hierfür Zeugen. Ich und mein Bruder waren zur Zeit der Tat und zwar die Nacht zum 1. April auf dem Gute Lindahof. Wir haben beide in der betreffenden Nacht den Gemeindebezirk Althegnenberg nicht verlassen. Sofern wir nach Beendigung der Arbeit nicht zuhause blieben, hielten wir uns in der Wirtschaft zum Bergmüller in Althegnenberg auf. Für die Richtigkeit meiner Angaben bitte ich den Baumeister Huber im Gute Lindahof und den Wirt Bergmüller und seine Kellnerin in Althegnenberg zu hören.

Sein Bruder Karl wurde in der Wohnung des Bürgermeisters vernommen und wegen einer anderen Straftat festgenommen: er machte zum Tatvorwurf die gleichen Angaben wie sein Bruder: Die Nacht vom 31.März auf 1.April 22 hielt ich mich in der Wirtschaft vom Bergmüller in Althegnenberg auf. Von einem von dem Schreinermeister Peter in Althegnenberg veranstaltetem Theaterstück, welches am 9. und 17.April zur Aufführung gelangte, fanden vorher wiederholt Proben statt, bei diesen ich auf Bestehen des Peter mitwirkte. Ob in der Nacht vom 31.März auf den 1.April eine Probe abgehalten wurde, bei der ich mitwirkte, weiß ich nicht. Ich bin aber fast täglich mit dem Baumeister Michael Huber vom Gute Lindahof nach der Arbeit etwa gegen 6 1/2 Uhr mit ihm nach Althegnenberg in die Wirtschaft zum Bergmüller gegangen. Diese meine Angaben kann sowohl Bergmüller, als auch die dortige Kellnerin “Tina“ bestätigen.


Überprüfung der Angaben und des Alibis durch unabhängige Zeugen wenn möglich

Seitens der Polizei erfolgte nun die Überprüfung zu den von den Bichlers gemachten Angaben. Befragt wurden hierzu:

Michael Huber
Vorarbeiter auf Gut Lindahof
So lange er hier im Dienste war, hat er den Gemeindebezirk Althegnenberg nicht verlassen. Er war stets beim Abendessen um 6 ¼ Uhr anwesend, ist dann regelmäßig jeden übernächsten Tag mit mir in die Wirtschaft zum Bergmüller nach Althegnenberg gegangen, von wo aus mir meistens Mitsamen nachhause gingen.

Ein Fahrrad stand dem Bichler nie zur Verfügung und mit der Bahn konnte er wegen der Beschränkten zeit zwischen Abendessen und dem Arbeitsbeginn um 5 Uhr früh nicht fortgekommen sein. Ich halte es für ausgeschlossen, daß es ihm möglich gewesen wäre, innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden freien Zeit nach Hinterkaifeck zu kommen.

Innozenz Schneider
Knecht auf Gut Lindahof
Ich kann unterdes bestätigen, daß der Knecht Karl Bichler während seiner Dienstzeit auf dem Gute Lindahof keine Nacht außer dem Hause gefehlt hat. Nachdem er bei mir auf der Kammer schlief, sah ich nie, daß sein Bett in der früh unbenutzt war.

Am 05.05.1922 schreibt Neuss nun abermals nach München um zu berichten, daß sich der Tatverdacht nicht erhärtet hat.

“von einer Festnahme wurde Abstand genommen, da sein Alibi in der kritischen Nacht durch einwandfreie Zeugen nachgewiesen wurde.“