Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920

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Hintergründe

Zu dem Prozess selbst, Vorwurf der schweren Blutschande, liegt kein Aktenmaterial vor. Kenntnisse darüber konnten aus dem Bericht des wegen Mordes ermittelnden Staatsanwalt Pielmayer gewonnen werden. Der zuvor ermittelnde Staatsanwalt Renner erwähnt den Sachverhalt nur in einem Bericht vom 10.04.1922.

Nachdem Viktoria Gabriel am 07.09.1919 ihren Sohn Josef Gruber zur Welt gebracht hatte, gab sie Lorenz Schlittenbauer als Vater ihres unehelich geborenen Sohnes an. Lorenz Schlittenbauer war der Meinung, dass auch ihr Vater Andreas Gruber als Erzeuger in Frage komme und lehnte die Vaterschaft ab. Der Grund war nicht nur die Verurteilung von Andreas und Viktoria im Jahre 1915, sondern auch die Vorfälle aus jüngster Vergangenheit, die Lorenz in seiner Aussage 1931 detailliert schilderte.
Aus der Zusammenfassung des Staatsanwaltes Pielmayer ist bekannt, dass Lorenz Schlittenbauer am 10.09.1919 Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wegen Blutschande angezeigt hatte, worauf am 13.09.1919 Andreas Gruber in Untersuchungshaft genommen wurde. Warum Viktoria nicht verhaftet wurde ist nicht bekannt. Ein Grund dafür könnte es sein, dass sie gerade erst ein Kind zur Welt gebracht hatte und den Säugling verpflegen musste.

Lorenz Schlittenbauer gibt in in seiner Aussage aus 1931 weiter an, dass Viktoria ihn gebeten hätte die Vaterschaft für Josef zu übernehmen. Sie würde ihm inoffiziell Geld geben, welches er ihr dann in Form von Alimenten offiziell zurück zahlen solle. Er hätte keine Auslagen. Weiter soll sie ihn bekniet haben, er möge die Anzeige zurück nehmen, damit der Vater aus der U-Haft entlassen wird. Eine Hochzeit soll ihm erneut in Aussicht gestellt worden sein.

Weiter ist Zusammenfassung des Staatsanwaltes Pielmayer zu entnehmen, dass Lorenz Schlittenbauer am 25.09.1919 die Anzeige vor dem Ermittlungsrichter in Schrobenhausen zurück genommen hatte. Am 27.09.1919 wurde Andreas Gruber aus der U-Haft entlassen.

Am 30.09.1919 übernahm Lorenz Schlittenbauer vor dem Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts Schrobenhausen, Aktenzeichen V.V.216/19, die Vaterschaft für Josef Gruber und verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindungssumme von 1800 Mark.

Anfang Oktober 1919 stand Lorenz Schlittenbauer dann doch wieder zu den Vorwürfen, die er in der Anzeige aus September 1919 gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel erhoben und kurze Zeit danach wieder zurück genommen hatte. Aufgrund der Vorgehensweise scheint man ihm keinen Glauben geschenkt zu haben und so wurde seine Aussage, auf Antrag der Staatsanwaltschaft beim Landgerichte Neuburg an der Donau vom 08.10.1919, am 23.10.1919 gemäß § 65 Abs.III StPO, gesetzlich beeidigt. Die Gründe für die erneute Anzeige nennt Pielmayer jedoch nicht. Ein Grund könnte sein, dass auch die erneut in Aussicht gestellte Hochzeit zwischen Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer ausgeblieben ist. Dabei handelt es sich aber um Spekulation.

Staatsanwalt Pielmayer berichtet weiter, dass die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau unter dem Aktenzeichen Str.P.R.1920 No.9. am 31.12.1919 Anklage wegen eines Verbrechen gegen die Sittlichkeit (schwere Blutschande) erhob.

Der Prozess

Leider sind die Akten nicht vorhanden. Wer bei dem Prozess ausgesagt hat, bzw. welche Aussagen gemacht wurden, ist nicht bekannt.

Das Urteil

Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wurden frei gesprochen.
Aufgrund der wechselnden Angaben des Lorenz Schlittenbauer, letztere Aussage unter Eid, konnte die Aussage nicht als genügende Grundlage zu einer Verurteilung erachtet werden.
Da Lorenz Schlittenbauer keine rechtlichen Konsequenzen zu tragen hatte, muss davon ausgegangen werden, dass er keinen Meineid geleistet hat. Aus der Tatsache, dass man Andreas Gruber keine Haftentschädigung aus der vorangegangenen Untersuchungshaft zugebilligt hatte, kann geschlossen werden, dass es sich um einen zweitklassigen Freispruch, einem Freispruch aus Mangel an Beweisen, handelt. Diese Rückschlüsse können aufgrund der Dokumentation des Staatsanwaltes Pielmayer gezogen werden.

Bemerkungen

Zu dem oben geschilderten Prozess macht der Auffindungszeuge Jakob Sigl in seiner Aussage 1952 folgende Angaben:
Zitat: "...Als die Geschichte war mit dem Buben- die Viktoria hat `s ihm selber gesteckt gehabt- da ist er zum Pölt gekommen und hat gesagt: "Jetzt zeig`ich den Alten an. Jetzt kommt er mir dran wegen Blutschand, ins Gefängnis muss er. Dem brock ich ein, dass er gleich drin bleibt... Man erzählte sich damals, dass, nachdem Gruber eingezogen war, die Viktoria Gabriel den Lorenz Schlittenbauer zur Zurücknahme seiner Angaben umgestimmt hat. Die Gabriel soll damals dem Schlittenbauer einen Schurz voll Geld überbracht haben..."

Michael Pöll sagte im Zuge seiner Vernehmung dazu:
Zitat: "... Allgemein im Orte ist bekannt, dass Gruber mit seiner ermordeten Tochter Viktoria Gabriel in geschlechtlicher Beziehung stand..."

Die ehemalige Magd Kreszenz Rieger, spätere Schmidt berichtet 1922 von diesbezüglichen Vorkommnissen. In ihrer Aussage 1952 geht sie ebenfalls auf den Inzest ein:
Zitat: "... Mir war bekannt, dass die junge Bäuerin mit ihrem Vater geschlechtlich verkehrte. Anlässlich eines Kirchgangs wurde ich von einigen jungen Burschen daraufhin aufmerksam gemacht, dass der alte Bauer mit der jungen Frau, also mit seiner Tochter geschlechtliche Beziehungen unterhalte. Mir war vorher von dieser Angelegenheit noch nichts bekannt und mir ist auch nichts aufgefallen, dass die beiden Zärtlichkeiten ausgetauscht hätten. Ich war damals dennoch neugierig und habe in der Folgezeit besonders aufgepasst. Eines Tages, es war im Frühjahr 1921, kam ich in den Stadel und wollte dem alten Gruber beim Aufladen eines Wasserfasses behilflich sein. Als ich dann in die Scheune kam, traf ich Gruber im Stroh liegend an, wie er gerade mit seiner Tochter Viktoria den Geschlechtsverkehr ausübte. Ich weiß bestimmt, dass ich damals von der Viktoria Gabriel gesehen wurde. Dies deshalb, weil sie mir nachher sagte, dass wenn sie das gewusst hätte, dass ich in den Stadel komme, sie sich ihrem Vater nicht hingegeben hätte. Bei anderer Gelegenheit hörte ich wie Andreas Gruber zu seiner Tochter, Frau Gabriel sagte, dass sie nicht heiraten brauche, denn solange er lebe ist er für "dies" da. Damit wollte er sagen, dass er seine Tochter in geschlechtlicher Hinsicht immer befriedigen werde. Als Gruber dies sagte, waren die beiden beim Instandsetzen des Taubenschlages im Getreideboden beschäftigt. Dies war nachdem ich die beiden vorher im Stadel bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs überrascht habe..."