Wissen: Geld

Aus Das Hinterkaifeck-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Das Thema Geld spielt bei der Suche nach dem Tatmotiv eine große Rolle. Mangels tatsächlicher Kenntnis, ob denn nun bei der Tat Geld von dem oder den Täter entwendet wurde oder nicht, bleibt ein ganzes Spektrum von Optionen offen: vom Beziehungstäter, der einen moralischen Missstand ausräumen und sich keinesfalls bereichern wollte bis zu Raubmördern, denen Geld und Wertgegenstände wichtig waren.

Schauen wir also mal einige Fragestellungen rund ums liebe Geld an...

(bitte folgen Sie den Links, um noch detailliertere Informationen zu erhalten)

Welche Währung galt damals?


Es ist bis heute strittig, ob überhaupt nach der Tat Geld fehlte. Ebenso besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Geld durch einen der vielen Schaulustigen abhanden gekommen ist, die noch vor Ankunft der Polizei eine Art makabres Sightseeing auf Hinterkaifeck veranstalteten. Wir wollen in den kommenden Beiträgen ausreichend Informationen vermitteln, dass jeder selbst eine Einschätzung treffen kann, ob dem Täter wohl auch Geld in die Hände gefallen ist oder nicht.
Mit welchem Geld hatten die späteren Opfer zu tun?
Die "älteren" unter Euch haben den Wechsel von DM zu € mitgemacht und wissen also nicht nur, dass sich Währungen ändern können sondern sie können auch nachvollziehen, wie man mit Bargeld bei einem Währungswechsel umgeht. Um die damalige Zeit nachzuvollziehen muss man noch erwähnen, dass bargeldlose Zahlungen die absolute Ausnahme waren und Tagesgeschäfte auf dem Land mit Bargeld oder Naturalien bezahlt wurden.
Bis nach dem Ersten Weltkrieg war die Mark die deutsche Währung. Damit gemeint ist die Goldmark, Münzen mit einem festgelegten Goldanteil und damit in sich wertbeständig. Zusätzlich durften Silbermark geprägt werden, deren Gegenwert ebenfalls in Mark angegeben war. Auf Länderebene wurden auch Geldscheine gedruckt. Gold- Silbermünzen und Papiergeld wurden nominal gleich behandelt und waren gegenseitig tauschbar.
Diese Situation änderte sich mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Ab Anfang August 1914 waren die Banken nicht mehr verpflichtet, Münzen herauszugeben. Die ab dann verbreiteten Geldscheine waren nicht mehr durch Metallgeld einlösbar. Für die Bevölkerung hatte dies den Effekt, dass Viele schon in dieser wirtschaftlichen und politischen Notzeit begannen, Scheine in Münzen umzuwandeln bzw. keine Münzen mehr zur Bank zu bringen sondern zuhause zu horten. Der Grundgedanke war, dass das Edelmetall seinen Wert behielt, während die Geldscheine beliebig der Inflation unterworfen waren. Mit demselben Argument wurden auch Sparbücher aufgelöst oder Pfandbriefe verkauft. Bargeld und hier insbesondere das Gold- und Silbergeld kam immer seltener in Umlauf. Alle staatlichen Versuche, die Münzen wieder in den Umlauf zu bringen, scheiterten. Dazu wurden u.a. Ankaufannoncen in den Tageszeitungen geschaltet.

Beispiel einer Annonce zum Ankauf von Goldgeld, Ingolstädter Anzeiger, April 1922


Münzgeld wurde knapp und vielerorts musste Notgeld gedruckt werden. Selbst als nach dem Krieg für kurze Zeit noch einmal die Goldmünzen offizielles Zahlungsmittel wurden, verblieb ein großer Teil der Münzen bei der Bevölkerung.
Die Goldmark hatte sich längst zur Schattenwährung verwandelt, mit der sich gute Geschäfte machen ließen.

Inflation und Kaufkraft

Um abschätzen zu können, welche Geldsummen "normal" waren für eine damalige 5-köpfige Familie mit maximal 1 angestellten Dienstboten, müssen wir schauen, was Anfang 1922 handelsübliche Ware kostete.
Nicht unberücksichtigt darf dabei die Inflation bleiben, die seit Beginn des Ersten Weltkrieges zunächst schleichend losmarschierte, um dann immer rasanter auf ihren Höhepunkt 1923 zuzustürmen, was dann in einer umfassenden Währungsreform mündete.
Diese Zeit war so einschneidend für die Menschen, dass in den Ermittlungsakten mehrfach die Zeiteinteilung anhand der Inflation gemacht wird. So sagt der Zeuge Lorenz Schlittenbauer in einer Aussage 1931 zum Beispiel: "Meine Frau hat 8.000 Mk. In die Ehe mitgebracht, das war aber damals nicht mehr viel Geld, weil schon Inflation war, ich hätte mir dafür keine Kuh mehr kaufen können." [Anmerkung: diese Hochzeit fand 1921 statt]
Ebenfalls 1931 schrieb die Schrobenhausener Zeitung in einem Rückblick auf die ungelöste Tat: "Die Staatsanwaltschaft Neuburg setzte damals in der Inflation eine Belohnung von 100.000 Mark aus, die im Jahre 1926 auf 1000 Reichsmark neu festgesetzt wurde. Alle Bemühungen den Täter zu überführen, waren jedoch bis jetzt erfolglos."

Um ein paar anschauliche Preise und ihre Entwicklung zu nennen, schauen wir uns mal ein Kilo Butter an. 1920 noch kostete es ca. 5,50 Mark. Im April 1922 dann, als die Tat gerade passiert war, mussten die Menschen in der Stadt für 1kg Butter schon 150 Mark bezahlen. 27 mal so viel als noch 2 Jahre zuvor. Weniger extrem aber dennoch kritisch war die Teuerungsrate für einen Sack Kartoffeln, dessen Preis im selben Zeitraum von 12 Mark auf 200 Mark anstieg.

Die folgenden Preise sind abgeschätzt und wurden anhand Zeitungsannoncen/-artikeln oder Teuerungsraten ähnlicher Artikel ermittelt. Sie haben keinen Anspruch auf hundertprozentige Richtigkeit, geben aber einen Anhaltspunkt über die Preise, wie die Opfer sie noch erlebt haben, im ersten Quartal 1922:

  • Brennholz, 1 Ster: 61 Mark
  • Waschmaschine: 4300 Mark
  • Bett: 1400 Mark
  • Nähmaschine: 2300 Mark
  • Hut: 230 Mark
  • Mantel: 470 Mark
  • Holzschuhe: 60 Mark
  • Baumwolle, 1m: 46 Mark
  • Jahreslohn Knecht: 9.000 Mark
  • Jahreslohn Magd: 3700 Mark
  • Bier, 0,5l: 3,24 Mark
  • Brot, 1kg: 10 Mark
  • Schokolade, 1kg: 77 Mark
  • Ei, 1 Stück: 5,37 Mark
  • Fahrrad: 1800 Mark
  • Zuchtrind: 76.700 Mark
  • Fotografie, 1 Aufnahme: 70 Mark
  • Miete, Stadt, 2-Zimmerwohnung, monatlich: 920 Mark
  • Bauernhof mit Haus und Scheunen: 700.000 Mark



Sehr interessant sind Zeitzeugendokumente, die Ihr zum Beispiel im Antiquariat oder Trödel finden könnt. In dem angefügten Bild sind Eintragungen eines Haushaltsbuches zu sehen, die anschaulich den Anstieg der Preise vermittelt. Quelle: hinterkaifeck.net


Die Opfer des Sechsfachmordes in Hinterkaifeck hatten also durchaus die Geldentwertung miterlebt und eventuell sind die Auflösung von Sparkonten im Vorfeld dieser Tat auch unter dem Aspekt zu sehen, dass man das Geld in Sachwerte umsetzte, um wenigstens eine gewisse Werterhaltung zu erzielen. Denn auf der Bank schmolz das Geld einfach so dahin.

Wie stand es um das Vermögen der Opfer?

Immer wieder liest man, die Opfer des ungeklärten Sechsfachmordes von Hinterkaifeck seien reich gewesen. Aber stimmt das? Wenn ja, woher stammte dieser Reichtum?
Viele Informationen und Überlegungen sind nicht gesichert. Auch wenn wir nichts vorgeben wollen, so solltet Ihr dennoch kritisch lesen und Eure Einwände einbringen, falls Eure Lebenserfahrung oder Expertise andere Interpretationen nahelegen.
Einnahmequellen Wir sprechen von einer kleinen Familie auf dem Bayerischen Land, deren finanzielle Situation sich als Ergebnis von Entscheidungen und Tätigkeiten einer längeren Zeitspanne ergab. Ebenfalls waren äußere Einflüsse gegeben, die die finanzielle Situation beeinflussten. Zu nennen sei hier einmal die im letzten Beitrag erwähnte Inflation seit Beginn des Ersten Weltkrieges. Oder aber die Lebensmittelknappheit in diesen Jahren vor der Tat, die gerade den Landwirten eine unerwartete Möglichkeit bot, sich neue Abnahmekreise zu erschliessen.
Die Einschätzung, welche Effekte sich überlagert oder kompensiert haben, ist schwierig. Also schauen wir auf die bekannten Informationen.
Zu Hinterkaifeck gehörten etwa 51 Tagwerk Grund (davon ca. 3 Tagwerk Wald). Dies stellte die Grundlage der Einkünfte dar. Denn keiner der Protagonisten oder der weiteren Familienangehörigen, die in dieser Zeitspanne auf dem Hof wohnten, ging einer Tätigkeit in einer Fabrik oder einem anderen Betrieb nach, soweit wir wissen. Es floss also kein Geld von anderer Seite zu. Als Ausnahme seien die Eheschliessungen genannt, wobei deren zeitlich gesehen aktuellste 1914 stattfand. Da heiratete die Tochter des Hauses Viktoria Gruber den Karl Gabriel, der schon im Dezember 1914 im Krieg gefallen ist. In dem Ehe- und Erbvertrag vom 11. März 1914 ist dokumentiert, dass das Anwesen zu dieser Zeit auf 5.000 Mark geschätzt wurde und dass Karl Gabriel 3.000 Mark in die Ehe eingebracht hatte. Eine weitere Ausnahme stellen die Witwen- und Waisenrentenbeträge dar, die Viktoria und Cäzilia ab 1915 nach dem Tod des Ehemannes bzw. des Vaters erhalten hatten. Die jährlichen Renten dürften sich jährlich zusammen auf ca. 2.000 Mark summiert haben.
Wichtige Einnahmequelle war wohl der Holzverkauf. Auch die Ländereien wurden genutzt. Getreide, Kartoffeln, Futterrüben, Klee/Gras - das alles wurde angebaut und zum Teil für den eigenen Verbrauch genutzt, eventuell auch verkauft. Der Viehbestand war nicht sehr groß, viel Spielraum für den Verkauf von Schlachtvieh gab es nicht. Allenfalls könnten 1/2 Sau oder mal ein Huhn verkauft worden sein. Wir wissen aber, dass die hauseigene Milch verarbeitet und als Butter verkauft wurde. Auch Schmalz und Eier wurden verkauft. Das geschah wohl in Form von Haustürgeschäften und die Kunden waren Hamsterer oder Menschen, die selbst keinen eigenen Hof hatten. Zu Hinterkaifeck gehörte auch ein großer Nutzgarten mit Beeten und Obstbäumen, ob sich hieraus weitere Einkommensquellen (z.B. Verkauf von Saft, Obst, Most, Marmeladen...) ergeben hatten ist nicht bekannt.
Zur Selbstversorgung gehörte auch das eigene Brot, das im Backhäuschen gebacken wurde. Auch wissen wir von einer Räucherkammer am Kamin im Dachboden und von nach der Tat aufgefundenem Rauchfleisch. Ein Fass auf einem der Tatfotos liegt zudem auch nahe, dass in großen Mengen eingemacht wurde, wie beispielsweise Sauerkraut, aber das ist nur eine Überlegung.
Was die Familie nicht selbst produzieren konnte musste gekauft werden. Viel wissen wir nicht darüber. Aber aus den Akten geht hervor, dass sie zum Beispiel Bier holten in der nahegelegenen Gaststätte. Öle, Benzin, Stoffe und Kaffee wurden umherziehenden Händlern abgekauft. Schrot für die Flinte musste gekauft werden. Und aus den gekauften Stoffen soll Viktoria Gabriel sich selbst und wahrscheinlich auch für ihre Kinder Kleidung genäht haben. Sonstige Kleidung und Schuhe mussten natürlich auch erstanden werden. Ebenso Maschinen, Baumaterial, Türbeschläge, Werkzeug, usw.

Vermögensverhältnisse

(siehe hierzu auch die Spezialseite)

Gleich vorneweg: viel ist nicht bekannt.
Aus wirtschaftlicher Sicht wird die Familie als "gut situiert" (Greger, Schlittenbauer) beschrieben. Als "vermögend" (Pöll, Sigl, Reingruber). Ebenfalls werden sie als "sparsam" ( Schlittenbauer, Sigl, Reingruber) bezeichnet oder weniger wohlwollend als "geizig" (Greger, Rieger, Riedmayr). Vielleicht hat das eine das andere bedingt und der bewußte und sparsame Umgang mit Geld hat es dieser Familie erlaubt, sich finanzielle Sicherheiten zu schaffen.
Wir wissen, dass die Familie in den Kriegsjahren einiges Geld in Wertpapiere und Pfandbriefe angelegt hatte, ebenso wurden mehrere Sparkonten in verschiedenen Banken bespart. Die genannten Werte dieser Investitionen belaufen sich umgerechnet auf einige tausend € und sind damit beachtlich.
Interessant ist, dass sich die familieninterne "Finanzpolitik" ab 1920 änderte. Es wurden Wertpapiere verkauft und Sparkonten aufgelöst. Bei einigen dieser Aktionen kennen wir den Zweck: so mussten von der Familie z.B. Vermögenszuwachssteuer und Notopfer bezahlt werden. Bis zur Tat wurden allein im Bankhaus Friedl und Dummler ab Sommer 1921 einmal Wertpapiere mit Nennwert in Höhe von 7.440 Mark verkauft. Hinzu kommt eine Barauszahlung Anfang März 1922 über 1.800 Mark an Viktoria Gabriel. Cäzilia Starringer, Viktorias Halbschwester, berichtete zudem von 2 größeren Geldleihen, die sie ihrer Schwester hat zukommen lassen: einmal 5.000 Mark im Herbst 1921, angeblich für einen neuen Motor. Und noch einmal im Februar 1922 und damit wenige Wochen vor der Tat. Hier ging es um weitere 3.000 Mark, die zum Kauf eines neuen Dreschwagens verwendet werden sollten.
Der Verbleib des vielen Bargeld ist heute noch nicht klar und wird oft herangezogen, um eine Erpressungssituation zu stützen, in der die späteren Opfer zunehmend von einer dritten Partei um Geld erpresst wurden. Denkbar ist aber auch eine harmlosere Erklärung, wonach sich die Opfer der immer schneller voranschreitenden Inflation bewusst waren und lieber in Sachwerte investierten. So wollten sie offenbar einen neuen Stall bauen, wofür einige Baumaterialien schon vorhanden waren. Das sieht man schön auf einem der 5 Tatortbildern, wo im Hof schon Stützbalken liegen.


(Quelle Staatsarchiv München Pol. Dir. München 8091b )

Ein Zeuge sagte zudem aus, dass alle drei Erwachsenen eine eigene "Kasse" führten und von Lorenz Schlittenbauer wurde das Barvermögen zum Tatzeitpunkt auf 100.000 Mark geschätzt.

Aber was war denn noch übrig, als die Polizei am 04. und 05. April 1922 den Hof durchsuchte?

Was nach der Tat gefunden wurde?

(siehe hierzu auch die Spezialseite)

Am Tag nach der Entdeckung der Tat wurde bei Tageslicht und in einem durch Getreidesäcke verstellten Schrank unter Tüchern eine Blechkassette mit Münzgeld gefunden. Dieses Münzgeld bestand aus einer Vielzahl an verschiedenartigen Münzen, auffallend war der hohe Wert an Gold- und Silbermünzen. Allein 1.880 Mark waren in Goldmünzen vorhanden. Dazu noch 327 Mark in Silber. Angesichts der Tatsache, dass das diese Münzen schon seit Jahren kein offizielles Zahlungsmittel mehr waren, wird dieser Fund noch zusätzlich "besonders".

In einem Gebetsbuch wurde ein Fünfmarkschein gefunden. Vom offiziell gültigen Zahlungsmittel war also während der Inflation nur ein Fünfmarkschein und einige Blech- und Notmünzen vorhanden.
Auch diverse Wertgegenstände wie Schmuck waren noch vorhanden.
Schliesslich gab es noch eine ganze Reihe von Pfandbriefen, die gefunden wurden. Ob die sich in der bei der Auffindung als "leer" beschriebenen Brieftasche auf dem Bett im Schlafzimmer befunden hatten ist nicht überliefert.


Was nach der Tat nicht gefunden wurde?

Nicht gefunden wurden die übrigen erwähnten Kassen des Ehepaar Grubers, sofern man dem Zeugen Glauben schenkt, der von getrennten Kassen der Erwachsenen berichtete.

Nicht gefunden wurden auch weitere Papiergeldscheine. Von den geschätzten 100.000 Mark Bargeld keine Spur (diesen Wert hatte Lorenz Schlittenbauer genannt und diese Zahl scheint zumindest unauffällig gewesen zu sein, weil sie von der Polizei und den Medien als Richtwert übernommen wurden).