Zeitungsartikel: 1935-02-02 Bochumer Anzeiger

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Detailinformationen

Datum

02. Februar 1935

Ort

Art des Dokumentes

Zeitungsbericht

Verfasser

unbekannt

Verfasst für

Bochumer Anzeiger

Verfügbar

Inhalt

Unter sechsfachem Mordverdacht verhaftet


Das Drama im Einödshof

München, 1. Februar

In Hohenwart bei Ingolstadt wurde auf Anzeige seiner 20jährigen Tochter der 56 Jahre alte, aus Daimhausen gebürtige Pfleger unter dem Verdacht verhaftet, den sechsfachen Mord von Kaifeck, der seit dreizehn Jahren ungesühnt ist, begangen zu haben. Seine Verhaftung erinnert wieder ein eins der dunkelsten Verbrechen, die in den letzten Jahrzehnten in Süddeutschland geschahen.


Am 2. April 1922 wurde in der Einöde von Kaifeck, die eine gute Wegstunden vom nächsten Ort entfernt im Walde liegt eine

sechsköpfige Familie ermordet aufgefunden.


Die Opfer waren das etwa 55jährige Ehepaar Huber, deren 35jährige Tochter namens Gabriel mit ihren beiden 8 und 2 Jahre alten Kindern und die erst vor wenigen Tagen dort in Dienst getretene 47jährige Magd.

Die Tat wurde erst nach einigen Tagen entdeckt, als ein Vorüberkommender, durch das Brüllen des hungernden Viehs aufmerksam geworden, das Haus betrat. Bei der Untersuchung der Bluttat wurden im Schnee Fußspuren entdeckt, die zum Haus hinführten, aber nicht mehr weg. Geraubt war nichts worden, der Täter mußte mit der Oertlichkeit vertraut gewesen sein.

Der Bevölkerung bemächtigte sich ungeheure Aufregung, die zu zahllosen Verdächtigungen und vielen Verhaftungen führte. Das Schlagwort "kaifeck-verdächtig" wollte jahrelang nicht verstummen.

Das einsame Mordhaus, das niemand mehr bewohnen wollte, verfiel und wurde schließlich abgerissen.

Zuletzt richtete sich der Verdacht gegen den Mann der Frau Gabriel, der seit 1917 in Rußland vermißt wurde. Seine Frau hatte dem im Feld stehenden Mann die Treue nicht gehalten und ihm nicht einmal auf seine Briefe geantwortet. Ihr jüngstes, ebenfalls ermordetes Kind konnte nicht von ihm sein, und man nahm daher an, daß er nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft unerwartet zurückgekehrt sei und sich auf diese fürchterliche Weise für die Treulosigkeit seiner Frau gerächt habe, um sich nach der Tat heimlich wieder zu entfernen. Für diese Vermutung aber gab es bisher keinen Beweis. Gabriel wurde nie mehr gesehen und ist inzwischen gesetzlich für tot erklärt worden.


Der verhaftete Josef Pfleger aus Daumshausen leugnet hartnäckig. Pfleger, der seine Frau schon wiederholt schwer mißhandelt und mit dem Tode bedroht hat, ist wegen Sittlichkeitsverbrechens und anderer Delikte vorbestraft. In letzter Zeit fiel den Angehörigen sein bedrücktes Wesen auf. Freunde versichern, daß Pfleger seit Jahren den Schauplatz der Tat ängstlich gemieden hat.


Nach Aussage seiner Tochter hat Pfleger ihr am 15. Januar die Tat gestanden.


Er sei Ende März 1922 mit einem inzwischen verstorbenen Komplicen, dessen Namen er nicht nennen wollte, nächtlicherweile in den Stall des Kaifecker Anwesens eingedrungen. Das Vieh sei unruhig geworden und habe sie verraten. Als der alte Huber in den Stall kam, um Nachschau zu halten, schlugen sie ihn mit einem Beil nieder und drangen in das Haus ein. Dort erschlugen sie die ebenfalls wach gewordene 47jährige Magd, die Frau des Huber und deren Tochter, die Witwe des im Kriege gefallenen Gabriel, und das zweijährige Kind, das in seinem Wägelchen schlief. Zuletzt lief ihnen das neunjährige Kind direkt in die Hände und wurde ebenfalls niedergeschlagen. Die Opfer schleppten sie dann in den Stall und deckten sie mit Heu zu. Die beiden Mörder sollen dann noch drei Tage im Hause geblieben sein und das Vieh gefüttert haben, damit es sie nicht verrate. Erst als der Postbote ins Haus kam seien sie geflüchtet. Im Widerspruch zu den seinerzeitigen Erhebungen, nach denen in Kaifeck nichts geraubt worden sei, hätten sie 1400 Mark erbeutet und unter sich geteilt.


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