Zeitungsartikel: 1951-11-16 Schwäbische Landeszeitung

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Rund um Hinterkaifeck schweigen immer noch die Wälder

Detailinformationen

Datum

16.11.1951

Ort

Art des Dokumentes

Zeitungsbericht

Verfasser

unbekannt

Verfasst für

Schwäbische Landeszeitung

Verfügbar

Zeitungsarchiv

Inhalt

Rund um Hinterkaifeck schweigen immer noch die Wälder

In unserer Ausgabe vom 25.3.1949 behandelten wir in der reminiszierenden mit Illustrationen versehenen Reportage „Ungesühnte Verbrechen aus der Augsburger Kriminalgeschichte eine Reihe unaufgeklärter Mordfälle, darunter auch das entsetzliche Blutbad von Hinterkaifeck. Unsere Beilage „Der Heimatfreund“ brachte in Nr. 3 Jahrgang 1951 unter dem Titel:“Gottloser Mörderhand fiel am 31. März 1922 zum Opfer…“ einen weiteren Beitrag über den immer noch nicht aufgeklärten sechsfachen Mord. Nun hat es den Anschein, wie wenn doch noch etwas Licht in diese überaus dunkle Affäre dringen würde, einerseits durch einen Rußlandheimkehrer, dem sich während der Gefangenschaft ein russischer Wachhabender und ehemaliger bayerischer Landsmann als Mörder von Hinterkaifeck zu erkennen gab und andererseits durch den Brief eines Lesers aus München , der einen Geistlichen gekannt hat, dem gegenüber sich eine Sterbende als die Schwester der Hinterkaifecker Mörder ausgegeben hat. Dort stand einst der Hof.

Schrobenhausen. Etwa einen halben Kilometer südwestlich der kleinen Ortschaft Gröbern bei Waidhofen im Landkreis Schrobenhausen auf einer Lichtung, die beinahe rings vom Wald umgeben ist, steht am Rande eines Feldwegs ein Bildstock aus Granit. Das Marterl dort fällt mit dem ersten Blick nicht unbedingt auf. Seine Inschrift ist so verwaschen, dass man einzelne Worte nur mit Mühe und Not entziffern kann. Die Pflüge der Bauern aus Gröbern gehen um diese Jahreszeit über die Äcker , und auf dem Hügel, der etwa dreißig Schritte vom Bildstock entfernt in der Richtung zum Wald liegt, grünt jetzt schon leicht die Wintersaat. Es ist nichts Besonderes an diesem Fleck. Der Einödwinkel ist ein bißchen eintönig vielleicht, düster, abgeschieden. Der nahe Wald wirft aus allen Richtungen im Laufe des Tages seine Schatten auf den Kreis der Felder, und der Bauer, der sein Gespann anhielt, uns den Weg zeigte und mit der Hand auf den Hügel deutete, sagte:“ Dort stand einmal der Hof von Hinterkaifeck! Da wo die die schwarzen Flecken noch in der Ackerfurche liegen, war die Mistgrube. Der Hof wurde abgerissen so um die Inflationszeit herum, ich glaub es war 1924. Kein Mensch wollte es geschenkt! Da wurde es eben dem Erdboden gleichgemacht! Jedenfalls die Einöde Hinterkaifeck bei Gröbern gibt es seit fast dreißig Jahren nicht mehr und jeder , der aus der Gegend ist und der an dem abgelegenen Fleck vorbeigeht, der weiß warum Hinterkaifeck bis auf den letzten Ziegelstein verschwand. Auf dem Friedhof in Waidhofen liegt in der Nähe des Kirchenchores ein Grabmal, das eigentlich gar nicht so recht in den bescheidenen stillen Bauernfriedhof mit seinen Kreuzen hineinpasst. Ein kurzer gedrungener Obelisk mit der Inschrift: „Gottloser Mörderhand fiel am 31.3.1922 die Familie Gruber-Gabriel von Hinterkaifeck zum Opfer.“ Dann folgen die Namen der Toten: Andreas Gruber, Cäcilie Gruber, Viktoria Gabriel, geb. Gruber und deren Kinder Cäcilie und Josef, sowie die Dienstmagd maria Baumgartner. Und darunter der Psalm: „Der Herr gedenket als Bluträcher ihrer und vergisst nicht das Geschrei der Armen.“

Die Mordnacht vor dreißig Jahren
In der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1922 wurde vor fast dreißig Jahren eine fünfköpfige Bauernfamilie und ihre am ersten Tag im Dienst stehende neue Magd mit einer Kartoffelhaue erschlagen. Vier Tage blieb das Verbrechen zunächst unentdeckt, weil man gewohnt war, dass sich die Einödler von Hinterkaifeck als verschlossene Leute gelegentlich länger nicht zeigten. Als dann die Kunde vom Hinterkaifecker Mord durch die Bauernstuben des Paartales jagte, da machten sich die Leute tagelang auf die Suche nach dem Mörder. Die damaligen Gendarmen kamen natürlich auch etwas zu gemütlich und etwas zu spät vielleicht, nachdem der Hof von oben bis unten von einer neugierigen Menschenmenge durchstöbert worden war, und dann verschwanden die Spuren eben, verwischten sich immer mehr. Zum Schluss standen die Untersuchungsbehörden vor der Bilanz zwar rund 60 Verdächtige festgenommen zu haben, die ständig wechselnden Indizien wuchsen ins Uferlose und hörten immer dann auf, wenn die letzte Frage nach dem Täter gestellt wurde. Man musste alle wieder laufen lassen, die festgenommenen Handwerksburschen und diejenigen auch die nach Entdeckung des Mordes den Hof auf Anordnung der Polizei bewachten (und die später unter Verdacht fielen) weil sich keine Spur bis zum Ende verfolgen ließ. Und die Gerüchte gehen noch heute um im Paartal, von Aichach bis nach Ingolstadt. Die Bauern verrammelten damals jahrelang jeden Abend ihre Türen und ließen die Hofhunde von den Ketten. Bei der Staatsanwaltschaft häuften sich die Akten. Immer wieder wurde gebohrt, immer wieder wurden Prognosen aufgestellt, Motive und mögliche Täter gesucht – und nichts kam heraus, gar nichts.

Die wildesten Gerüchte gingen um
Die Volksmeinung ging auseinander. Die einen sagten:“Das war niemand anderer als der junge Schwiegersohn, der Gabriel. Der kam nach dem ersten Krieg aus dem Feld heim, erfuhr dass sein Weib die Viktoria in Hinterkaifeck ein Kind geboren hatte, als er nicht da war und dessen Vater er unmöglich sein kann. Der erschlug sie alle, weil er die Schmach nicht dulden wollte. Derjenige der`s gemacht hat, muss den Hof wie seine Westentasche gekannt haben. Die Hinterkaifecker ließen kaum einen Hamsterer vor die Tür, geschweige einen Fremden gar ins Haus. „Nein!“ widersprachen andere. „Der junge Gabriel kann es unmöglich gewesen sein. Der ist als Soldat bereits am Anfang des ersten Weltkrieges bereits in Belgien gefallen.“ „Vermisst war er nur“. „Nein er ist gefallen und begraben worden; das steht amtlich fest.“ So gehen seit drei Jahrzehnten die Meinungen hin und her. War es ein Raubmord? Es fehlte zwar Geld. Aber es blieben eine Menge Goldstücke auf dem Hof zurück, die ein Raubmörder, wenn er vier Tage lang in dem Einödhof zum Suchen Zeit hatte, unbedingt hätte finden müssen. Für das, was fehlte lohnte sich jedenfalls die Ermordung von vier Erwachsenen und zwei Kindern nicht. Das außereheliche Kind der Viktoria Gabriel, der dreijährige Josef sah bei der Auffindung am schrecklichsten aus. Alle Umstände deuten darauf hin, dass der Täter mit einem geradezu tierischen Hass das Kind getötet haben musste. Man versuchte amtlich mehrmals die Tat zu rekonstruieren: Mit großer Wahrscheinlichkeit schlich sich der Täter eine Nacht vorher ins Haus und blieb auf dem Heuboden liegen. Dann löste er am zweiten Abend das Vieh von den Ketten und machte dadurch Lärm. Der alte Gruber hat daraufhin mit ziemlicher Sicherheit zuerst im Stall nach gesehen . Hinter der dunklen Stalltür stand der Täter mit der Hacke. Der Bauer kam nicht mehr. Die alte Bäuerin wollte nachsehen – und kam auch nicht mehr zurück. Die junge Bäuerin ging ebenfalls ihren letzten Gang in den Stadel, als sie nach ihren Eltern sehen wollte, die so lange wegblieben und hinter ihr die siebenjährige Tochter. Und alle kamen sie nicht mehr zurück. Dann drang der Mörder ins Haus, sah in der Schlafstube das dreijährige Bübchen im Kinderwagen und schlug mit der Haue nochmals zu. Nun glaubte er wohl, dass niemand mehr im Hause sei. Er musste aber die neue Magd in der Kammer gehört haben. Die wurde dort sein letztes Opfer. Dann floh er. Fast vier Tage hatte er Zeit. Die reichte aus, um ihn unter damaligen Umständen an jede Landesgrenze des deutschen Reiches zu bringen mit dem Geld, was vom Hinterkaifeckerhof fehlte. Wie gesagt: Das ist eine Hypothese. Klare Beweise gibt es nicht.

In der Bombennacht von 1944 verbrannten in der Augsburger Staatsanwaltschaft die Akten Hinterkaifeck. Der Fall schien damit endgültig in der Rubrik „Unerledigt-Ungeklärt“ eingeordnet zu werden. Da veröffentlichte vor kurzem der „Der Donaukurier“ in Ingolstadt eine Artikelserie zur Mordnacht von Hinterkaifeck, in der all das zusammengetragen worden war, was zum Teil amtsbekannt, zum Teil auch Volksmeinung gewesen ist. Es war kein Tatsachenbericht, sondern eher schon eine Deutung dieser Tragödie. Und da sprach eines Tages ein Rußlandheimkehrer aus dem zweiten Weltkrieg einen Reporter dieser Zeitung an und meinte: „ Na, die Sache da mit Hinterkaifeck , wie ihr sie schreibt, die stimmt nicht immer!“ Und nach einigen Hin und Her erzählte der etwa 35-40 Jahre alte Mann dem Journalisten:“Ich habe einen kennen gelernt, der sich als Mörder von Hinterkaifeck bezeichnete.“ Das konnte eine sogenannte „Ente“ sein, aber Matthäus Eser, ehemaliger Landser der 71. Infanterie-Division stand zu seinem Wort. Wir fuhren also nach Ingolstadt und unterhielten uns mit dem Mann in einer kleinen Gastwirtschaft. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass wir einen Experten bei uns hatten, der den Fall Hinterkaifeck auch „wie seine Hosentasche“ kannte. Eser legte also los, ruhig, sachlich, ohne Übertreibung, sagte zwischendurch auch einmal: „das weiß ich nicht!“ wo er sicher und gefahrlos hätte aufschneiden können. Seine Aussagen fingen langsam an, unheimlich präzise zu werden.

Ein „oberbayerischer“ Russe
„Ich wurde am 24. Mai 1945 etwa dreißig Kilometer nördlich von Neuhaus in der CSR von den Russen gefangen genommen. Wir lagen auf freiem Feld, bewacht von den Iwans. Ich ging an einen Posten heran und wollte was zu essen. Der verwies mich an einen höhergestellten Dienstgrad, vielleicht war`s ein Kommissar oder Offizier. Der hatte aber schon gehört, wie ich mich mit meinem oberbayerischen Dialekt mit meinen Kameraden unterhalten hatte. Er kam auf mich zu und fragte mich:“ Wo kommst Du her?“ Diese Frage stellte er im unverfälschten waschechten Oberbayrisch. „Aus Schrobenhaus`n …“ sagte ich. „Ja,ja Schrob`nhaus`n kenn i a ….“ antwortete der Iwan und ging wieder. Ich bekam was zu essen und war ziemlich erstaunt. Dann wurde zum Abmarsch gesammelt und wir marschierten auf einer langen Straße los. Ich bekam Durst! Da ich mit meiner Bitte schon einmal Glück gehabt hatte, probierte ich es bei meinem „oberbayrischen Russen“ nochmals. Dabei kamen wir wieder ins Gespräch. Der Iwan kannte die Gegend wie eben nur einer sie kennen kann, der bei uns hier daheim ist, ließ sich genau jede Wegkreuzung beschreiben, kannte jeden Waldsteig und frage immer wieder: „Kennst nacha a Waidhof`n -Ja!- Und Gröbern? –Ja!-Und……a Hinterkaifeck? –Ja! Hab ich nur noch stottern können, denn ich bin als zehnjähriger Bub oft und oft bei den Hinterkaifeckern vorbeigelaufen und hab damals in der schlechten Zeit Brot auf dem Hof gebettelt. Ich kannte die Grubers gut, wusste was an jenem Märztag 1922 geschehen war, wusste dass der Mörder nie erwischt wurde, dass der Hof nicht mehr stand, und sagte das auch meinem Russen. Der sah mich eine Weile starr an, ging weg. Nach einiger Zeit kam er wieder. Er hatte einen Wisch in der Hand, gab mir den russisch beschriebenen Zettel mit den eindeutigen Worten: „Sog an schöna Gruaß dahoam. Und wenn di oana frag`n sollt, dann sagst, der Hinterkaifecker hat Di entlass`n!“ Ich ließ auf meinem Passagierschein noch eine Krankenschwester aus Regensburg und einen anderen Kumpel aus meiner Einheit, der aus Magdeburg stammte, draufschreiben, weil ich dem Russen erzählt hatte, die wären auch aus Waidhofen und mit diesem Papier kam ich durch alle Sperren bis Linz. Dort am letzten Schlagbaum vor den Amerikanern nahm es mir der russische Posten am 26. Mai 1945 wieder ab. Am 3. Juni war ich daheim in Ingolstadt. „ Und Matthäus Eser fuhr fort: „Der Mann, der mich entlassen hatte, war bestimmt ein höheres Tier. Genau kannte ich mich nicht so aus damals. Kommissar vielleicht. Jedenfalls hatte er die Brust voller Orden, war etwa 165 bis 170 groß ungefähr 55 bis 60 Jahre alt und trug auf der Oberlippe einen Bart. Mehr konnte ich mir beim besten Willen nicht einprägen.“ Eser wechselte das Thema.: „An jenem Tag, da der Mord aufkam und alles zum Hinterkaifecker lief , da rannte ich natürlich auch zur Einöde, kam in die Schlafstube und sah einen Mann unter all den Leuten, die da in den Räumen des Hauses herumliefen und jammerten. Der stand vor einem Wandkästchen, das er durchwühlte. Briefe fielen da heraus. Einen griff er, faltete ihn auseinander und überflog ihn. Ich sah ihm als neugieriger Lauser so von der Seite her in den Brief und kann mich heute noch erinnern, die sich mir beim Mitlesen einprägten:“Wenn das stimmt, was ich erfahren habe….“, stand da und an anderer Stelle: „die ganze Gesellschaft ausrotten!“ Der Mann, den ich nicht kannte, nahm den Brief, zerriss ihn und steckte ihn ein bevor die Polizei kam. Er hatte bemerkt, dass ich mitlas und schrie mich an:“ Schaust net, dass Di weitakimmst Saubua elendiga! I foz Di glei!“ Natürlich trollte ich mich. Mein Großvater, dem ich die Sache erzählte, verbot mir bei Lebzeiten über diese Beobachtung zu sprechen. Auf unsere Zwischenfrage:“ Wer könnte denn der Russe gewesen sein, der sie entlassen hat? Sie haben doch auch den Schwiegersohn Gabriel, den jungen Hinterkaifecker gekannt, der auf den Hof geheiratet hatte.“ Da meinte Eser bedächtig:“ Ja ich kann mich erinnern an den Gabriel. Wenn ich das Alter dazu rechne und mir das Gesicht da unter der russischen Schirmmütze nochmals vorstelle, möchte ich sagen, dass er es gewesen sein kann.“ –„ Aber der ist doch im ersten Krieg gefallen, das steht doch fest.“ Und der alte Landser, der den Krieg kennt, lächelte: „Es sind schon viele amtlich gefallen, die nachher wiedergekommen sind.“ Es laufen also Spuren nach Russland. Nicht nur durch Esers neue Aussage sind diese Vermutungen bestärkt worden. Auch aus einer anderen Schilderung, die unabhängig und zeitlich verschieden von Esers Angaben von einem ehemaligen Hauptmann der Wehrmacht angegeben sein soll, geht hervor, dass Täterspuren von Hinterkaifeck aus nach dem Osten führen. Und noch ein anderer Hinweis: Etwa 1924 brach ein mehrfach vorbestrafter Landwirt aus der Gegend um Waidhofen aus einem Gefängnis aus, in dem er eine kleine Strafe für einen Diebstahl verbüßte. Er hatte im Gefängnis durch einen Brief seiner Frau erfahren, dass er im Verlaufe der Ermittlungen mit den Verdachtsbereich der Hinterkaifecker Mordtat einbezogen worden war. Der Mann ist nach seinem Ausbruch nirgends mehr aufgetaucht. Seiner politischen Einstellung nach liegt der Schluss nahe, dass er sich nach Osten wandte. Es gäbe noch den Schatten einer dritten Spur. Ein bereits verstorbener Pfarrer soll einmal erzählt haben, daß ihm eine Bauersfrau nach ihrer letzten Beichte auf dem Totenbett gestanden habe: Meine beiden Brüder waren die Mörder von Hinterkaifeck.“ Der alte Priester sagte nie, wer die alte Frau war und wen sie benannte, obwohl er in diesem Fall das Beichtgeheimnis nicht verletzt hätte. Der Papst in Rom habe damals Dispens gegeben. Aber als dieser eintraf, war der Beichtvater bereits gestorben. Der Priester nahm sein vielleicht so wichtiges Geheimnis mit ins Grab. Des Rätsels Lösung fand bislang noch keiner, weil rund um Hinterkaifeck nicht nur die Wälder schweigen.

Ich kenne die Mörder
Mir dem erwähnten Priester wurde einer unserer Leser bekannt und berichtet hier über ein Gespräch mit ihm:
Es war in einer kleinen Stadt Schwabens, als ich ihn kennenlernte. Er ist ein beliebter freundlicher Herr mit viel Idealismus und großem Berufseifer. Als wir eines Abends beisammen saßen, kamen wir auf das Beichtgeheimnis zu sprechen. Er wurde plötzlcih still und nachdenklich. "Sehen Sie", sagte er dann, "hier kann ich Ihnen einen selbsterlebte Fall auftischen. Es wird Ihnen der Mord von Hinterkaifeck in Erinnerung sein. Sie wissen auch, daß trotz der vielen Vermutungen und zahlreichen Verhaftungen bis heute kein Mörder bekannt ist. Und doch bräuchte ich nur den Mund aufzutun und das Geheimnis wäre gelüftet. Ich kenne die Mörder von Hinterkaifeck!" Er sagte das is so selbstverständlichem und ungerührtem Ton, daß ich sagen ußte: "Und es hat sie keine seelischen Kämpfe gekostet, ihr Beichtgeheimnis zu wahren, als Umschuldige vor dem Richter standen?" "Sie werden staunen", entgegnete er lächelnd, "aber es ist gar kein Beichtgeheimnis. Sie müssen wissen, daß ich zuletzt Stadtkaplan in Augsburg war. Dort wurde ich vor einigen Jahren an das Sterbebett einer Frau geholt. Es vergingen wohl sechs Stunden, bis sich die Sterbende von ihrer schweren seelischen Last befreit und beruhigt hatte. Trotzdem schloß sie erst nach einem erschütternden Todeskampf die Augen. Mir aber hatte sie ihr schreckliches Geheimnis aufgedeckt. Wohlgemerkt geschah dies außerhalb des Beichtsiegels und mit dem Wunsch, ich solle das Bekenntnis auf der Polizei zu Protokoll geben." Damm teilte mir der Gesitliche, teils von selbst, teils auf meine Fragen, einen Teil seines Wissens mit: Die beiden Brüder der Toten seien die Mörder. Zurzeit des Todes ihrer Schwester hätten sie noch in Augsburg gelebt. Als Motiv gab er reinen Raubmord an. Die Beute sei mehr als lohnend gewesen. Erst nach der Bluttat hätten Eltern und Schwester von dem Verbrechen erfahren.
Was aber das Erstaunlichste ist: Nicht ein Schatten des Verdachts fiel während der jahrelangen Fahndungen auf die Täter. All die vielen Verhafteten und Vernommenen, die oft nur wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen wurden, waren unschuldig.
Warum aber schwieg der Mann, der mir dies erzählte, der einzige Mitwisser der Mörder, obwohl der letzte Wunsch der Sterbenden war, er solle sprechen? "Warum sollte ich nach Jahrzehnten noch einmal Staub aufwirbeln?, meinte er auf eine diesbezügliche Frage, "auch wenn die Mörder nicht bekannt sind, ist niemand benachteiligt. Wenn ich heute sprechen würde, gäbe es bestimmt Leute, die mir nicht glaubten, daß ich mein Wissen außerhalb des Beichtsiegels erfahren habe, und die es verständen, das Vertrauen der Katholiken zum Beichtvater zu erschüttern. Damit würde ich unserer Aufgabe nur schaden".
R. S. - München


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