Existenznachweis des Munitionsdepot in Mertzwiller

Die Angaben von Noack

Frank Helmut Noack gab im Video „100 Jahre Hinterkaifeck“ (Quelle [4]) an, daß er Ernst Friedrich Mehnert über das Munitionslager in Merzweiler verifizieren konnte. Etwa ab Minute 41.33 berichtet er dem Donaukurier:

… verifiziert haben wir, dass er Kommandant des Munitionsdepots in Mertzviller war, denn die Franzosen die dieses Munitionsdepot von 1919 bis 1940 hatten haben alle Aufzeichnungen erhalten. Also die Kommandanten des Munitionsdepots von 1870/71 es wurde ja von Deutschen gebaut…ja nach der ähm wie soll man sagen…nach dem deutsch-französischem Krieg 70/71 wird ja Elsaß/Lothringen dem bayerischen Reich und preussischem Reich zugeschlagen also dem Deutschen Reich. Es werden Kasernen ausgehoben, deutsche Soldaten- deutsches Militär in Elsaß/Lothringen stationiert und dieses Munitionsdepot ist 1878 gebaut worden. Und die Kommandanten- die Franzosen sind an Tradidion behaftet haben das alles dokumentarisch festgehalten. Es sind noch die Originalbücher vorhanden und so weiter, von den Kommandantenbefehlen von 78 bis 1919. Und da ist Ernst Friedrich Mehnert drin erwähnt. Also das stimmte mal. …

Hier einige Ausschnitte aus dem o.g. Video:

Auszug aus dem Video „100 Jahre Hinterkaifeck“ [4] zum Munitionsdepot in Mertzwiller/Neubourg

 

Ernst Friedrich Mehnert soll laut dem Buch „nach einer Beförderung zum Oberleutnant und und mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet“ das Munitionsdepot in Mertzwiller übernommen haben.

Screenshot aus dem Video [5-01] Zu erkennen sind hier die Bruchstücke: Oktober 1916 über[…] […]s Munitionslager Neu (….) (…)erzweiler im Elsass.
Einem zugegebenermaßen nicht idealem Screenshot nach zu urteilen fand dies wohl ab Oktober 1916 statt, und bei dem Munitionslager handelte es sich offenbar um „Neubourg – Merzweiler“ (Screenshot siehe rechts)

 

Wenn Mehnert hier gearbeitet hat und das in leitender Funktion, so muss es Dokumente zu dem Munitionslager sowie zu dessen Personal geben.

Einzelrecherchen

Die akribisch geführten und bereits oben durchsuchten Ranglisten enthalten auch Listen über militärische Infrastruktur. Zudem bieten historische Informationen aus der Region ebenfalls Möglichkeiten zur Recherche.

Zur Suche nach dem Munitionsdepot wurden als Quellen verwendet:

  • Deutsche Rangliste 1914
  • Präsentation des Französischen Verteidigungsministeriums
  • Mairie (Gemeinde) Mertzwiller (Archiv)
  • Archiv des Elsass in Straßburg
  • Militärarchiv Freiburg
  • Historisches Kartenmaterial

Wo immer es ging haben wir Anfragen schriftlich gestellt oder online verfügbare Quellen durchsucht. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse unserer Recherchen nachvollziehbar darsgestellt.

Suche in den Ranglisten

Aus der Deutschen Rangliste des aktiven Offizierkorps der deutschen Armee und Marine, 1914, kann entnommen werden, daß 1914 kein Munitionsdepot in Mertzwiller existierte. Ein Bau bis 1916 zur Übernahme durch Mehnert kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da Herr Noack ja wie eingangs bereits zitiert das Baujahr mit 1878 angegeben hatte.

Deutsche Ranglisten 1914 zum Munitionsdepot

Seite 1

Seite 2

Seite 3

Seite 4

Ein Munitionsdepot nur in Merzweiler konnte in den offiziellen Ranglisten nicht gefunden werden.

 

Recherche zum Militärdepot an der Maginot-Linie

Um etwaige Abweichungen in den Ortsangaben zu berücksichtigen, wurden der Umkreis erweitert und nach Munitionslagern gesucht. Denn etwa 430 Meter südlich von Merzweiler und 850 Meter nördlich des Dorfes Neubourg befindet sich im Wald von Hagenau das „Camp militaire de Neubourg“. Konnte hier eine Verwechslung vorliegen?
Laut dem französischen Wikipedia entstand dieses Lager aber erst Anfang der 1930-iger Jahre an der Maginot-Linie.

Angaben des Französischen Verteidigungsministeriums zur Inbetriebnahme des Depots 1932

Eine online verfügbare Präsentation des Ministère De la Défense (Verteidigungsministeriums), bzw. des Contrôle Général Des Armées (Kriegsministeriums) belegt eine Inbetriebnahme des Depots im Jahr 1932. Quelle: mise en sevice: 1932

Die Angaben des Verteidigungsministeriums legen die Inbetriebnahme gut 50 Jahre später als die Angaben von Noack

Anfrage bei der Gemeinde Mertzwiller

Eine zusätzliche Anfrage in Mertzwiller bestätigte die von uns durchgeführten Recherchen. Von der dortigen Gemeindeverwaltung wurde uns am 31.07.2023 mitgeteilt, dass dieses von F. H. Noack beschriebene Munitionsdepot (ab 1878) dort nicht bekannt ist.

Antwort der Gemeinde Mertzwiller auf eine Anfrage nach dem gesuchten Munitionsdepot

Die Gemeinde Mertzwiller weiß nichts von einem Munitionsdepot ab 1878

Archives d’Alsace, Archiv des Elsass

Unsere Anfrage wurde im Oktober 2023 beantwortet. Das Archivpersonal kann nach eigener Recherche keine Hinweise auf ein Munitionsdepot 1878ff finden. Es bietet aber etliche Hilfestellungen für weitere Recherchen an.
Im Archiv des Elsass lässt sich kein Munitionsdepot in Mertzwiller ab 1878 nachweisen

Recherche beim Militärarchiv Freiburg

Das Militärarchiv Freiburg teilte uns am 04.12.2023 mit, dass dort keine Unterlagen zu einem Munitionsdepot in Mertzwiller vorhanden sind. Die Archivarin weist auf Lücken in den Beständen hin.

Antwortschreiben Bundesarchiv (Abteilung Militärarchiv Freiburg)

Das Militärarchiv in Freiburg kann keine Unterlagen zu einem Munitionsdepot in Mertzwiller ab 1878 finden

Historisches Kartenmaterial

Es gibt mittlerweile viele Internetseiten, die historische Landkarten anbieten. Wir konzentrierten unsere Suche auf den Zeitraum ab 1878 bis in die 30er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts.

Die folgenden Ausschnitte werden mit der jeweiligen Zeitangabe und der Markierung des fraglichen Gebiets beschriftet. Die Quelle ist in der Beschreibung eingefügt.

 

Elsass-Lothringen (1879), https://maps.arcanum.com

 

 


1884
Meßtischblatt 3598 : Hagenau (Im Elsass), 1884; https://www.deutschefotothek.de/

 

 


Historische Landkarte

 

 

 

Auf keiner der verfügbaren Karten konnte ein militärischer Komplex zur fraglichen Zeit gefunden werden.

 

Meyers Orts- und Verkehrs-Lexikon des Deutschen Reichs (1912)

Ancestry bietet das Orts- und Verkehrs-Lexikon von 1912 an. Dieses Lexikon ist eine tolle Ressource, weil es alle Gebiete einschließt, die vor dem ersten Weltkrieg zum Deutschen Reich gehörten. Es listet zu jedem Ort die herausragenden Gebäude und Anlagen auf.

So wird beispielsweise für das elsässische Neubreisach, 140km südlich von Mertzwiller gelegen, folgendes angegeben:

 

 

 

Neubreisach (im Elsass) ist im Rangbuch 1914 („Deutschen Rangliste des aktiven Offizierkorps der deutschen Armee und Marine, 1914“) unter den Städten mit Gouvernements, Kommandanturen, Garnisonkommandos, Truppenübungsplätzen und Artilleriedepots aufgeführt.
Das Meyers Orts- und Verkehrs-Lexikon des Deutschen Reichs (1912) listet für diesen Ort zivile und militärische Einrichtungen auf. Das dortige Artilleriedepot ist ausdrücklich erwähnt, ebenso die dort stationierte Kompanie und das Regiment.

Für Mertzwiller findet sich folgender Eintrag, ohne dass es hier eine Erwähnung militärischer Einrichtungen gibt.

 

 

 

Als Gegenprobe wurde noch der Ort Dauendorf überprüft, zu dem das südlich von Mertzwiller gelegene Neubourg gehörte. Dort müsste das Munitionsdepot alternativ auftauchen, aber auch hier Fehlanzeige.

 

 

 

 

Im detailreichen Orts- und Verkehrslexikon gibt es keinen Hinweis auf ein Munitionsdepot in Mertzwiller und Umgebung.

 

Ergebnisse zum Munitionsdepot in Mertzwiller

Die Angaben von Frank Helmut Noack bezüglich des 1878 errichteten Munitionsdepots in Mertzwiller sind falsch. Weder gab es dort ab 1878 und noch bis in den Ersten Weltkrieg hinein ein solches Munitionsdepot noch konnte in der Nähe für den relevanten Zeitraum, als Ernst Friedrich Mehnert vermeintlich dieses Munitionsdepot leitete, eine ähnliche Einrichtung verifiziert werden. Keine einzige recherchierte Quelle hat auch nur ansatzweise einen Hinweis auf ein solches Depot gegeben, auch wenn vergleichende Recherchen an anderen Militärstandorten sehr wohl und ausführlich diese zeigten.
Die Ergebnisse gehen völlig einher mit den Informationen über das Munitionsdepot, das erst in den 30er Jahren errichtet wurde.

Aber ohne eine derartige Einrichtung gibt es auch keinen weiteren Ansatz, dort angeblich beschäftigte Kommandeure zu finden.

Der Mythos eines ungeklärten Sechsfachmordes